Rheinische Post Kleve

Der König ist tot, lang lebe der König

- VON ANTJE REHSE

Rob Cross ist der neue Darts-Weltmeiste­r. Mit einer souveränen Leistung schickte er die Darts-Legende Phil Taylor in Rente.

LONDON Seinen Abschiedss­ong hätte Phil Taylor kaum passender wählen können. Der Rekordwelt­meister hatte sich gewünscht, mit „Viva La Vida“von Coldplay abzutreten. In dem Song besingt Chris Martin das Schicksal eines gestürzten Königs. „Einst beherrscht­e ich die Welt“, heißt es dort, oder auch: „Der alte König ist tot, lang lebe der König!“

Die Ära Phil Taylor ist seit Montag beendet. In seinem letzten Match auf der großen Dartsbühne musste sich der 57-Jährige einem 30 Jahre jüngeren Kontrahent­en geschlagen geben – und das deutlich. Im WMEndspiel im Londoner Alexandra Palace unterlag Taylor dem Newcomer Rob Cross mit 2:7. Damit tritt Taylor, der in seiner fast 30-jährigen Karriere umgerechne­t 8,1 Millionen Euro Preisgeld verdient hat, mit 16 WM-Titeln ab. Wer Taylor über die Jahre verfolgt hat, kann sich vorstellen, dass es ihm besonders eine Textzeile im Coldplay-Song angetan hat, zu dem er nun auf der Bühne des „Ally Pally“tanzte, während auf einer Leinwand seine größten Momente gezeigt wurden: „Einst bestimmte ich über das Schicksal, spürte die Angst in den Augen meiner Feinde.“Jahrzehnte­lang hatte Taylor die Dartsszene geprägt wie kein Zweiter, seine Gegner in Angst und Schrecken versetzt.

Am Neujahrsab­end war beim Gegner von Furcht aber nichts zu spüren. Im Gegenteil. Cross spielte in seinem ersten WM-Finale, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht. Er hielt ein konstant hohes Niveau, leistete sich fast keine Fehler und ließ Taylor keine Chance. Erst als er seinen letzten Pfeil in der Doppel-16 versenkt hatte, wur- de Cross offenbar bewusst, dass er gerade den großen Phil Taylor in den Ruhestand verabschie­det hatte. Cross traute sich kaum zu jubeln. Fast ehrfürchti­g umarmte er seinen Gegner, ließ Taylor seinen letzten Moment im Rampenlich­t voll auskosten.

Noch bis März 2016 war Cross Amateur, spielte in Kneipen um Preisgelde­r, mit denen man noch nicht mal abends den Deckel bezahlen konnte. Die WM im vergangene­n Jahr verfolgte er von der Couch aus. „Phil hat 1990 das erste Mal gewonnen, da bin ich geboren“, sagte Cross bei „Sport1“: „Er hat so viel für diesen Sport getan, ich hoffe, er tritt zufrieden zurück.“

Der 27 Jahre alte Cross, ein gelernter Elektriker, erhält für den Triumph bei seinem WM-Debüt einen Siegersche­ck über umgerechne­t 450.000 Euro. Zudem wird er erst- mals an der Premier League teilnehmen, einer Art Showliga der besten Dartsspiel­er der Welt. Auch dabei gibt es viel Geld zu verdienen. Der Schritt zum Profi hat sich für den dreifachen Vater also schon jetzt voll ausgezahlt. Seine Familie bezeichnet er als seine größte Motivation: „Sie sind mein Antrieb. Sie sind alles, was ich brauche.“

Dank Cross müssen sich die Engländer keine Sorgen machen, dass ihnen die Niederländ­er und die Schotten gänzlich den Rang ablaufen. Taylor prophezeit­e seinem Landsmann nach dem Match eine große Laufbahn. „Ich sehe bei ihm viele Parallelen zu mir, er opfert sich für diesen Sport. Die Konkurrenz wird mit ihm ein großes Problem haben. Ich mag ihn sehr gerne“, sagte Taylor. England hat einen neuen König – zumindest auf der Dartsbühne.

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FOTO: IMAGO Rob Cross gewann bei seinem WM-Debüt gleich den Titel.

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