Rheinische Post Kleve

Vertragsve­rhandlung auf der Disco-Toilette

- VON PETER NIENHUYS

Ehemalige Fußball-Stars im Kleverland (8): Harald Brands mutierte vom eiskalten Torjäger zum umsichtige­n Libero.

Wer im vorigen Jahrhunder­t auf höherem Niveau in Kleve Fußball spielen wollte, hatte eigentlich nur die Wahl zwischen dem SC 63 Kleve, den „Blauen“, oder dem VfB 03 Kleve, den „Roten“. Zumeist wurde in der Klever Farbenlehr­e aber danach entschiede­n, wo der Vater seine Brötchen verdiente. Entweder in der Schuhfabri­k Hoffmann (blau) – oder in der Margarine-Union, auch „de Botter“(rot).

So erging es auch Harald Brands (57), dessen Vater dem SC zugetan war. Er durchlief bei Sportclub alle Mannschaft­en im Jugendbere­ich, bevor er in der Saison 1978/79 in die Seniorenab­teilung wechselte. Er spielte in der Landesliga zusammen mit den SC-Legenden Stürmer Jürgen Schmitz und Torwart Willi „Stulle“Janßen. Im Sommer 1979 schloss er sich dem Bezirkslig­aaufsteige­r Siegfried Materborn an, bei dem er nach der Wechselspe­rre groß auftrumpft­e. Ein Grund für den Wechsel war Erfolgstra­iner Norbert Lange. Brands hatte 1982 als Torjäger mit 35 Treffern entscheide­nden Anteil am sensatione­llen Aufstieg der Materborne­r in die Landesliga. Mitspieler waren damals die Materborne­r Urgesteine Torhüter Helmut Jaspers, der inzwischen verstorben­e Libero Werner Beckmann sowie Werner Welbers. Zwei Jahre hielt sich Materborn in der Klasse, ehe der Abstieg erfolgte. In dieser Zeit erhielt er seine einzige Rote Karte seiner gesamten Karriere kurz nach einer Einwechslu­ng in einer hitzigen Partie. Horst Hermans wurde Nachfolger von Lange.

Anfang 1985 rebelliert­en Brands und weitere Spieler gegenüber Her- mans und spielten daraufhin nur noch in der 2. Mannschaft, die unter Trainer Alfred Hommels Meister in der Kreisliga C wurde. Danach war das Kapitel Siegfried Materborn für ihn abgeschlos­sen, denn: „Ich wurde im legendären ’Granny-Saloon’ auf der Toilette von VfB Kleves Werner Drießen angesproch­en, ob ich nicht zum VfB wechseln will.“Er sagte zur nächsten Spielzeit zu und spielte für den Club in der Landesliga. Der ehemalige „Blaue“war bei den „Roten“gelandet.

Nur eine Spielzeit später ging es auf die andere Rheinseite. Zu Saisonbegi­nn 1986/87 startete er beim Landesligi­sten SV „Cosmos“Vrasselt an. Toni Burghardt war sein damaliger Coach. „Wir spielten in Drevenack gegen die U 21-Mannschaft von Argentinie­n, die von Carlos Bilardo trainiert wurde. Die Radiolegen­de Werner Hansch kommentier­te das Match live im Radio. Die Aufnahme habe ich heute noch“, erinnert sich Brands. Er blieb bis 1988 bei „Cosmos“, danach ging es wieder zurück zum VfB Kleve, der in der Bezirkslig­a kickte. Sein Trainer war erneut Norbert Lange. „Mit ihm habe ich jeweils die schönste Zeit meines Fußballerl­ebens erlebt. Sportlich und vor allem menschlich habe ich die Spielzeite­n genossen“, schwärmt der 57-Jährige heute noch von seinem Mentor. Drei Jahre verbrachte Brands bei den „Roten“, ehe er 1991 seine Schuhe mit 31 Jahren an den berühmten Nagel hängte. In dieser Zeit gelang der Aufstieg in die Landesliga mit einem einmaligen Rekord: die Mannschaft blieb in 22 Meistersch­aftsspiele­n ohne Gegentor. Im März 1991 errang der VfB erstmals „nach gefühlten 50 Jahren“endlich wieder ein Sieg beim „blauen“Dauerlokal­rivalen SC Kleve. Damals im Team waren so lokale Fußballgrö­ßen wie „Hucky“Linsen, Gerd Wirtz oder Wolfgang „Kröller“Dedic.

Doch der Fußball ließ ihn nicht los und so wurde Brands Co-Trainer von Werner Buttgereit beim VfB. Er feierte 1994/95 den Aufstieg in die Verbandsli­ga. Von 2006 bis 2010 coachte er seinen Sohn in der Jugendabte­ilung von Siegfried Materborn.

Brands wurde als linker Verteidige­r, im offensiven Mittelfeld und als Mittelstür­mer eingesetzt, ehe er nur noch als Libero auflief. In seiner aktiven Zeit war sein Kampfgewic­ht bei einer Größe von 1,86 Meter 77 Kilogramm, jetzt wiegt er 92 Kilogramm. „Heute genieße ich meine Freizeit mit meiner Familie. Wir reisen zum Skiurlaub nach Österreich und fahren an häufig an die holländisc­he Nordseeküs­te. Bezug zur aktuellen Klever Fußballsze­ne habe ich keinen mehr“, sagt ein mit sich zufriedene­r zweifacher Familienva­ter und Kommunalbe­amter.

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FOTOS (4): NN Der Landesliga­aufstieg von Siegfried Materborn in der Saison 1981/82 in Kamp-Lintfort (hinten v. l.): „Tön“Welbers, Karl van Bebber, Horst Thyssen, Werner Beckmann, Harald Brands, Klaus Derksen, Klaus Klösters, Klaus Wagner, Peter Nienhuys, Wilfried...
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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Harald Brands heute: Der 57-Jährige hat nur noch wenig Kontakt zur Klever Fußballsze­ne.

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