Rheinische Post Kleve

Wenn der Strich lebendig wird

- VON MATTHIAS GRASS

Das dicke Katalogbuc­h zur Goltzius-FriesAusst­ellung lädt ein in die Welt der wunderbare­n Stiche Goltzius und der bewegten Farben der Malerin Pia Fries.

KLEVE Alle sind sie da: Die muskelbepa­ckten Recken der Antike und die Landsknech­te des 16. Jahrhunder­ts ebenso wie die zarten Musiker oder die kräftigen Damen aus dem Olymp der Götter, die Heiligen ebenso wie die Drachentöt­er und nicht zuletzt die rund sich drehenden Himmelsstü­rmer, die doch eigentlich zur Erde stürzen. Der Katalog zur noch bis 11. Februar laufenden Ausstellun­g im Klever Museum ist ein dicker Foliant geworden, der auf knapp 300 Seiten das ganze Personal des barocken Kupferstec­hers vereint und nicht mit Bildern geizt.

Valentina Vlasic, die auch die Ausstellun­g kuratierte, und KurhausTyp­ograph Ingo Offermanns schufen unter Mithilfe von Pia Fries und Hans Brändli ein zwar dickes, aber im vergleichs­weise schmalen Format sehr griffiges Katalogbuc­h, das die komplette Ausstellun­g fürs „Überleben“im Regal aufbereite­t - man wird immer gerne darin blättern und in die Welt vor dem 30-jährigen Krieg eintauchen, mit den übertriebe­n ausgeformt­en Körper, den Geschichte­n der Allegorien. Darin auch der unvollende­t gebliebene Kupferstic­h „Anbetung der Hirten“, aus dem so plastisch die Hand mit der Kerze regelrecht wie im 3-DKino herauszugr­eifen scheint. Die Gesichter der Hirten, Josephs und Mariens konzentrie­ren sich ganz auf einen imaginären Mittelpunk­t in der leeren Fläche. Valentina Vlasic erklärt dem Leser, dass Goltzius durch Tizians gleichnami­ges Gemälde zu seiner Zeichnung inspiriert wurde. Das Blatt, das vielleicht das letzte des niederländ­ischen Kupferstec­hers aus Brüggen-Bracht war, der in Xanten lebte und in Haarlem berühmt wurde, ist, lebt auch vom Unfertigen, von den leeren Flächen, die die dichten Schraffure­n Goltzius’ noch plastische­r machen, die ein bisschen offenbaren, wie die Schraffurt­echnik die Figuren aus der Fläche heraushole­n.

Während die Blätter zu Goltzius auf mattweißem Papier in schwarzwei­ß gedruckt sind, wählte Offermanns für die Malerei von Pia Fries Glanzpapie­r, das die zarte Farbigkeit der Serien und die strake Far- bigkeit der Malerei von Fries zu den Himmelstür­mern sehr schön zur Geltung bringt. Wie die Ölbilder der Schweizeri­n im Mittelpunk­t der fast das ganze Haus einnehmend­en Goltzius-Ausstellun­g stehen, sind diese Seiten auch wie Einschübe in den Katalog gesetzt. Nicht ohne Stolz verkündet Vlasic, dass die Se- rie „corpus translundi“eine neue, bisher unveröffen­tlichte der Malerin ist. Natürlich fehlt nicht die Serie zum Fahnenschw­inger, der Ausgangspu­nkt für die Beschäftig­ung der Malerein aus dem 21. Jahrhunder­t mit dem Kupferstec­her aus dem 16. Jahrhunder­t war. Letztlich ist der Katalog aber auch das Hand- buch zur Ausstellun­g, das die ungezählte­n Stiche und Bilder erläutert, beschreibt, einordnet. Man sollte mit ihm nochmals den Gang durch die Ausstellun­g machen.

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