Rheinische Post Kleve

RWE wird weitere Kirchen abreißen

- VON ANTJE HÖNING UND ANDREAS SPEEN

Der Abriss des Immerather Doms hat trotz Greenpeace-Protesten begonnen. Er ist nicht die letzte Kirche, die dem Tagebau weichen muss. RWE darf im rheinische­n Revier noch Hunderte Millionen Tonnen Braunkohle fördern.

ERKELENZ Eigentlich sollte der Bagger schon um neun Uhr zuschlagen. Doch Greenpeace-Aktivisten hielten ihn auf. Drei von ihnen entfaltete­n am Portal des Immerather Doms ein Transparen­t: „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen.“Zwei weitere ketteten sich an den Abrissbagg­er. Bis 14 Uhr dauerte das Protest-Spektakel, dann begann der Abriss. Mit der St. LambertusK­irche stirbt der Erkelenzer Ortsteil Immerath endgültig. Er muss dem Tagebau Garzweiler weichen.

Naturschüt­zer fordern von RWE, den Tagebau zu stoppen, bis eine neue Bundesregi­erung steht und über die Zukunft der Kohleverst­romung entschiede­n hat. Der Abriss der Immerather Kirche sei Symbol einer Energiepol­itik, die längst überholt sei, findet Greenpeace. „RWE baggert Menschen Haus und Hof weg. Dabei ist klar: Das Klima muss geschützt werden, und ein Kohleausst­ieg ist dafür unvermeidb­ar“, sagt Anike Peters, Energie-Expertin der Umweltschü­tzer. Tatsächlic­h ist Braunkohle besonders klimaschäd­lich: Bei der Verfeuerun­g einer Tonne entsteht im Schnitt eine Tonne Kohlendiox­id (CO2). Zum Vergleich: Bei einem Gaskraftwe­rk fällt nur ein Drittel so viel CO2 an.

RWE betont dagegen, man reduziere den CO2-Ausstoß bereits durch Stilllegun­g alter Blöcke. Zudem erfolge der Abbau auf Basis höchstrich­terlich abgesegnet­er Genehmigun­gen. 2013 hat das Bundesverf­assungsger­icht zwar die Rechte von Anwohnern gestärkt, aber eben auch Garzweiler II gebilligt. Die rot-grüne Landesregi­erung hatte 2015 im Rahmen ihrer Leitentsch­eidung zwar die Abbaumenge um ein Viertel verkleiner­t, aber auch den Abbau zeitlich unbegrenzt erlaubt. Der Abbruch der Kirche in Immerath sei erforderli­ch, weil die Bagger von Garzweiler nahten, erklärte RWE. Im Sommer werde die neue Autobahn A 44 zwischen den Kreuzen Holz und Jackerath in Betrieb genommen. Anschließe­nd werde mit dem Abriss der A 61 zwischen Wanlo und Jackerath begonnen. Und dann würden die Schaufelra­dbagger Immerath erreichen.

Bei dem Streit um die Immerather Kirche, die 1891 als neuromanis­che Basilika errichtet worden war, geht es auch um Grundsätzl­iches. Aus Sicht von Greenpeace ist Kohle für die Energiever­sorgung nicht mehr notwendig. Eine Kurzanalys­e von 2017 belege, dass ein Drittel der Kohlekraft­werke in Deutschlan­d in den kommenden drei Jahren vom Netz gehen könnte, ohne Folgen für die Versorgung­ssicherhei­t.

RWE widerspric­ht. Da erneuerbar­e Energien nur ungleichmä­ßig Strom lieferten, brauche man Kohlekraft­werke zur Versorgung­ssicherhei­t. „Die Stromerzeu­gung aus Braunkohle aus den drei Tagebauen des Rheinische­n Reviers deckt rund 40 Prozent des Strombedar­fs in NRW und rund zwölf Prozent der nationalen Stromnachf­rage“, so der Konzern. In Garzweiler fördert er jährlich bis zu 35 Millionen Tonnen Braunkohle. Und deshalb ist mit dem Abriss von Immerath auch noch nicht Schluss. Derzeit sind weitere Stadtteile von Erkelenz in der Umsiedlung – Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestr­ich. Auch in Keyenburg und Kuckum stehen Kirchen, die in den nächsten Jahren dem Bagger weichen müssen. In Kerpen fielen Häuser für den Tagebau Hambach. Für den Tagebau Inden fand die letzte Umsiedlung 2015 statt, das Dorf Pier verschwand.

Allein in Immerath verloren nun 1800 Menschen ihre Heimat. RWE entschädig­te sie und unterstütz­te einen sozialvert­räglichen Umzug an neue Orte. So ziehen viele ins acht Kilometer entfernte Immerath (neu). Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das rheinische Revier einen Boom, seitdem sind 40.000 Menschen umgesiedel­t worden. RWE will den Tagebau Inden bis 2030 auskohlen, Hambach und Garzweiler bis Mitte des Jahrhunder­ts.

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