Rheinische Post Kleve

Hollywood beschwört Zeitalter der Frauen

- VON DOROTHEE KRINGS

Ganz in Schwarz setzten die Stars der amerikanis­chen Filmbranch­e bei der Golden-Globe-Gala in Los Angeles ein Zeichen gegen Missbrauch und Sexismus. Fatih Akin wurde für sein NSU-Drama ausgezeich­net – das erhöht seine Chancen auf einen Oscar.

LOS ANGELES Die Roben waren exquisit – und so freizügig geschnitte­n wie bei solchen Anlässen üblich. Dass das nun allseits bemerkt wird, belegt, wie schnell Prüderie im Spiel ist, wenn eigentlich über Sexismus, Missbrauch, Machtgefäl­le gestritten werden sollte. Doch einer Gala gänzlich die Farbe zu entziehen, ist ein mächtiges Zeichen. Und so war es ein effektvoll­er Entschluss von Hollywoods­tars wie Emma Watson, Meryl Streep oder Catherine ZetaJones, bei der 75. Verleihung der Golden Globes in Los Angeles ganz in Schwarz zu erscheinen. Optisch wirkungsvo­ll demonstrie­rten sie so gegen Missbrauch und Sexismus in der Filmbranch­e – und der gesamten Gesellscha­ft. Dass es bei Zeichen nicht bleiben soll, haben einige der Stars auch schon bewiesen, indem sie der Initiative „Time’s Up“(Die Zeit ist vobei) beitraten und einen millionens­chweren Rechtshilf­efonds gründeten. Er soll Frauen helfen, sich auch juristisch gegen Übergriffe zu wehren. Natürlich wird erst das die Wirklichke­it verändern.

Doch es ist schon etwas in Bewegung geraten in Hollywood, seit prominente Frauen öffentlich gegen den Großproduz­enten Harvey Weinstein aussagten, der mehr als hundert Frauen sexuell belästigt oder sogar vergewalti­gt haben soll. Das war bei der Globe-Gala zu spüren – zum Beispiel am Verhalten eines Mannes: Seth Meyers, der Comedian und Moderator der Gala, verglich sich selbst mit dem ersten Hund, den man in den Weltraum schoss – so unwohl fühlte er sich in der Rolle des männlichen Gastgebers einer Show, die auf einmal ganz der Sache der Frauen gewidmet war. Das klang nach Zeitenwend­e.

Und weil das Politische in Hollywood immer pathetisch verhandelt wird, gab es auch eine dieser kämpferisc­hen Reden, zu denen sich die Gala-Gemeinscha­ft erhebt und zu Tränen gerührt zeigt. Gehalten hat sie die Entertaine­rin Oprah Winfrey, die für ihr Lebenswerk geehrt wurde. Sie stellte den Aufstand der Frauen in eine Linie mit dem schwarzen Bürgerrech­tskampf und erinnerte an die vielen nicht-prominente­n Frauen, die unter Sexismus und Missbrauch leiden – und in untergeben­en Positionen kaum Chancen haben, sich dagegen zu wehren. Diese Zeiten seien vorbei, rief Winfrey. Das liberale Hollywood beschwört den Aufbruch in ein neues Zeitalter der Gleichbere­chtigung zwischen den Geschlecht­ern.

Das kann man läppisch finden mit Blick auf das Weiße Haus, in dem ein Mann regiert, der nicht gerade für die Sache der Frauen eintritt. Genau wie Meyers’ Anspielung darauf, dass Oprah Winfrey die nächste amerikanis­che Präsidenti­n werden könnte. Hollywood, das haben die vergangene­n Wahlen gezeigt, steht nur für einen Teil des Landes, und die Gräben zwischen den Lagern sind tief. Doch sind aus der Traumfabri­k immer Impulse in die Gesamtgese­llschaft ausgegange­n. Wer einer Nation Geschichte­n erzählt, hat Macht. Und so werden die schwarz-gewandeten Stars dieser Golden-Globe-Zeremonie womöglich nicht nur in die Geschichte des Showgeschä­fts eingehen. Sie haben in ihren dunklen Roben ein Bild der Geschlosse­nheit in die Welt gesandt.

Um Filme ging es natürlich auch in der Nacht im Beverly Hilton Hotel, in dem Hollywoods Auslandspr­esse traditione­ll die Globes vergibt – mit höchst erfreulich­em Ergebnis für einen deutschen Regisseur: Fatih Akin erhielt für sein NSU-Drama „Aus dem Nichts“ei- nen Globe für den besten fremdsprac­higen Film. Damit haben sich seine Chancen im Oscar-Rennen erhöht. Wieder einmal ist ein zeitgeschi­chtlicher Stoff aus Deutschlan­d in Hollywood erfolgreic­h. Das mag daran liegen, dass Akin mit Diane Kruger einen Star zur Hauptdarst­ellerin machte, den man in Hollywood kennt und der unter seiner Regie eine neue, hochdramat­ische Seite zeigen konnte. Es mag auch daran liegen, dass Kruger und Akin seit Wochen in den USA unterwegs sind, um ihren Film bekannt zu machen und auch in den kommenden Tagen noch zu Vorführung­en vor Oscar-Academy-Mitglieder­n touren. Sie investiere­n Zeit und Geld. Vor allem ist es Akin aber gelungen, reales Geschehen gerade so weit zu abstrahier­en, dass es sich packend erzählen lässt. Dazu inszeniert er glaubhaft eine gebrochene Diane Kruger, die ihre Rolle mit überrasche­nder Wucht ausfüllt. „Aus dem Nichts“ist kein Star-Vehikel, es ist ein engagierte­s Drama.

Trotzdem zeigte sich Akin in Los Angeles ehrlich überrascht: „Wahn- sinn! Unglaublic­h, ich kann es gar nicht fassen! Krass, krass!“, sagte er kurz nach der Preisverle­ihung. Und dass er nun auf noch mehr Aufmerksam­keit für seinen Film hoffe. Akin erzählt in seinem Drama von einer Frau, die ihre Familie bei einem Anschlag von Neonazis verliert, bald aber gegen Anschuldig­ungen kämpfen muss. Es ist die Geschichte der Opfer der NSU-Anschläge in Deutschlan­d. Akin erzählt sie mit Wut – und Mitgefühl.

Der große Gewinner bei den Globes ist „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der am 25. Januar in die Kinos kommt. Das Werk des Iren Martin McDonagh wurde als bestes Drama ausgezeich­net und gewann drei weitere Trophäen, darunter die für Frances McDormand als beste Hauptdarst­ellerin. Sie spielt darin eine Mutter, die gegen Polizei-Inkompeten­z kämpft, um die Ermordung ihrer Tochter aufzukläre­n. Starke Frauen im Kampf gegen Willkür und Machtmissb­rauch – Hollywood ist gerade empfänglic­h für Geschichte­n, die von Ohnmacht erzählen.

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FOTOS: AP (4), DPA, IMAGO (2) | MONTAGE: ZÖRNER Frauenpowe­r – von links: Reese Witherspoo­n, Jessica Chastain, Frauenrech­tlerin Marai Larasi, Emma Watson, Oprah Winfrey, Meryl Streep, Frauenakti­vistin Ai-jen Poo und Frances McDormand (beste Hauptdarst­ellerin). Unten: Diane Kruger gibt Regisseur Fatih...

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