Rheinische Post Kleve

Die hässliche Seite des Fußballs

- VON GIANNI COSTA UND PATRICK SCHERER

Seit Jahren kämpft die Europäisch­e Fußball Union gegen Rassismus – mit Werbetafel­n, einem Videofilm und choreograp­hierten Ansagen. Doch am Wochenende gab es wieder zwei Vorfälle. Auf den Rängen und auf dem Rasen.

DÜSSELDORF Kevin Prince Boateng hatte so eine Vorahnung. Im Dezember erhielt der Fußballpro­fi den Sonderprei­s der „1Live Krone“– für sein Engagement gegen Rassismus. Und Boateng teilte mit: „Ich freue mich, den Preis entgegenzu­nehmen und den Kampf fortzusetz­en!“Nun, nur wenige Wochen später, sieht sich der 30-Jährige schon wieder gezwungen, Flagge zu zeigen. „Genug ist genug!!!“, schrieb Boateng bei Twitter. „Ich stehe an deiner Seite, Blaise Matuidi, wir müssen stark bleiben und Rassismus JETZT bekämpfen!!!“

Der französisc­he Nationalsp­ieler von Juventus Turin wurde während des Auswärtssp­iels bei Cagliari Calcio in der italienisc­hen Liga wiederholt von gegnerisch­en Fans rassistisc­h beleidigt. Es war nicht der einzige Fall am vergangene­n Wochenende. Dass der englische Verband FA auch gegen den Liverpoole­r Stürmer Roberto Firmino wegen Rassismus-Vorwürfen ermittelt, zeigt, dass die Aktionen der Europäisch­en Fußball Union (Uefa) gegen jegliche Art der Diskrimini­erung in weiten Teilen ihre Wirkung verfehlen. Sie reichen allem Anschein nach nicht einmal bis in die Kabinen der Vereine.

Im naturgemäß aufgeheizt­en Pokal-Derby zwischen Liverpool und Everton kommt es zum Gerangel zwischen dem Brasiliane­r Firmino

Kevin-Prince Boateng und dem Engländer Mason Holgate, beide dunkelhäut­ig. Dabei fallen Worte, die dem Vernehmen nach alles andere als jugendfrei sind. Holgate versichert dem Schiedsric­hter, dass dabei auch rassistisc­he Bemerkunge­n gefallen sein sollen. „Die FA kann bestätigen“, heißt es in einem Statement des englischen Fußballver­bandes, „dass Schiedsric­hter Bobby Madley von der Anschuldig­ung erfahren und diese der FA, die das nun überprüft, gemeldet hat.“Liverpool-Coach Jürgen Klopp sagte nur: „Ich habe irgendwas gehört, aber ich kann bis dato nichts dazu sagen.“

Firmino, früher in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim aktiv, spielt für die brasiliani­sche Nationalma­nnschaft. Sein Kapitän ist Neymar. Der teuerste Fußballspi­eler der Welt grüßt nahezu wöchentlic­h von den großen Videoleinw­änden in den großen Stadien. Bei europäisch­en Wettbewerb­en lässt die Uefa an jedem Spieltag einen Film ablaufen, in dem die Größen der Fußballwel­t in ihrer Landesspra­che mit ernster Miene den Satz „Nein zu Rassismus!“in die Kamera sprechen. Der Spot ist Teil einer großen Kampagne, mit der der Verband seine Abneigung gegenüber Diskrimini­erung zum Ausdruck bringen möchte. Bis zu Firmino scheinen diese Worte nicht oder zumindest nicht richtig durchgedru­ngen zu sein. Was bringen solche Botschafte­n? Ist es nur, um das schlechte Ge- wissen der Verbände zu beruhigen, wenigstens etwas zu tun?

Boateng betont, dass die Aktionen der Uefa ohnehin nicht ausreichen. Im Interview mit dem Jugendmaga­zin „Jetzt“im vergangene­n November fordert der in Berlin geborene Deutsch-Ghanaer zusätzlich­e Kamera-Überwachun­g für die Tribünen, um Täter ermitteln und bestra- fen zu können. „Wir müssen das doch für unsere Kinder angehen, für die Zukunft. Dass ein Fünfjährig­er ins Stadion kommt und rassistisc­he Plakate sieht: Das darf nicht sein. Der darf im Stadion auch nicht neben jemandem sitzen, der ‘du Neger’ sagt, ‘du scheiß Türke’, ‘du scheiß Araber’ oder ‘du scheiß Chinese’. Wenn wir das heutzutage immer noch zulassen, dann ist das unsere Schuld. Deshalb tue ich alles dafür, das zu ändern. Aber ich kann das nicht alleine. Da müssen sich die Verbände und die Ligen zusammentu­n.“

2013, im Trikot des AC Mailand, setzt Boateng ein Zeichen: Beim Pokalspiel gegen einen Viertligis­ten wird der frühere ghanaische Nationalsp­ieler von den Rängen immer wieder beleidigt. In der 26. Minute fällt Boateng die Entscheidu­ng, das Spiel eigenmächt­ig zu unterbrech­en. Seine Mitspieler zeigen sich solidarisc­h und folgen ihm in die Kabine. Seitdem ist der heutige Frankfurte­r Profi eine Galionsfig­ur im Kampf gegen Rassismus im Fußball.

„Ich kann das nicht alleine. Da müssen sich die Verbände und die Ligen zusammentu­n“

zum Kampf gegen Rassismus

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FOTO: IMAGO

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