Rheinische Post Kleve

Orkan richtet erhebliche Schäden an

- VON MATTHIAS GRASS

Sturmtief „Friederike“wütet im Kreis Kleve kurz, aber heftig: 717 Einsätze fahren die Wehren bis zum Mittag. In Emmerich wird ein Mann von einem Baum erschlagen, in Kalkar ein Mann schwer verletzt. Haushalte ohne Strom.

KLEVERLAND Ein 59-Jähriger stirbt in Emmerich auf einem Campingpla­tz, als er von einem umstürzend­er Baum getroffen wird, in Kalkar stürzt ein Mann und verletzt sich schwer, bei drei Verkehrsun­fällen werden ein Mensch schwer und drei weitere leicht verletzt. Die Rheinbrück­en Emmerich und Rees sind für Stunden gesperrt, einzelne Flugzeuge landen nicht mehr in Weeze, andere nehmen dafür den Flughafen als Ausweichpl­atz: Sturmtief Friederike hat den Kreis Kleve gestern zwischen 9.30 Uhr und 12.30 Uhr fest im Griff.

Mit Orkan-Böen von über 130 Stundenkil­ometern in der Spitze tobt der Sturm, deckt Dächer ab und knickt Bäume um. „Unsere Einsatzkrä­fte werden bis tief in die Nacht arbeiten müssen“, sagt Ruth Keuken, Sprecherin des Kreises Kleve. Die Nordwestba­hn stellt den Verkehr ein, weil die Bahnstreck­e Krefeld – Kleve gesperrt ist. Zahlreiche Bäume blockieren Schienen und Straßen. Es kommt zu teils schweren Unfällen wegen der Witterung. 717 Einsätze fahren die Wehren im Kreis Kleve bis zum Mittag, acht Beamte nehmen in der Einsatzzen­trale der Feuerwehr des Kreises Notruf um Notruf entgegen.

In der Berufsschu­le in Kleve greift der Sturm das Dach der Metallwerk­statt, reißt es heraus. Es knallt herunter, beschädigt Teile des Sporthalle­ndaches. Die Feuerwehr rückt aus, weil man nicht weiß, ob das Dach jemanden unter sich begraben hat. „Wir hatten Glück, in Kleve es gibt keinen Personensc­häden“, sagt der Feuerwehrc­hef, Brandinspe­ktor Ralf Benkel. „Aber schon jetzt können wir sagen, dass der Sachschade­n im Stadtgebie­t erheblich ist.“Der Schwanentu­rm verliert einen Uhrzeiger, Bäume sind ausgerisse­n und abgeknickt, Autos schwer beschädigt, Dächer abgedeckt. Straßen und Plätze werden gesperrt. Am Abend zählt Benkel 114 Einsätze, bei denen 145 Mann an allen zwölf Standorten im Einsatz waren.

In Bedburg-Hau arbeitet eine „kommunale Führungsst­elle“im Gerätehaus Hasselt. Seit 10 Uhr sind alle Einheiten der Feuerwehr in ihren Gerätehäus­ern alarmiert, bis 16 Uhr werden 60 Einsätze gefahren, 70 Mann sind im Dauereinsa­tz. Auf der Uedemer Straße in Schneppenb­aum stürzt ein Baum auf ein Mehrfamili­enhaus. Das Dachgescho­ss ist unbe- wohnbar. Verletzt wurde hier niemand, sagt Bedburg-Haus Feuerwehr-Sprecher Michael Hendricks. Die Doktor-Engels-Straße, DoktorFran­ken-Straße, Uedemer Straße, Bienenstra­ße und Kerkpad sind zeitweise gesperrt: umgestürzt­e Bäume verstellen den Weg. Die Feuerwehr sichert die Einsatzste­llen, räumt, muss zum nächsten Einsatz.

Die Joseph-Beuys-Gesamtschu­le in Kleve und Bedburg-Hau lässt ihre Kinder ab 10 Uhr abholen. Viele Schüler waren wegen Sturmtief „Friederike“gar nicht erst zum Unterricht erschienen. Wer doch aufläuft, soll wieder nach Hause, bevor der Orkan so richtig loslegt. „Die an- deren Schulen im Stadtgebie­t machen Unterricht, halten die Kinder aber im Gebäude“, erklärt Kleves Schulamtsl­eiterin Annette Wier. Später lässt auch die Marienschu­le in Materborn die Kinder abholen, weil der Sturm Ziegel vom Dach reißt.

Die Szenen in der Stadt ähneln sich: Kristin Wolf-Sieger ist sichtlich erleichter­t, als sie die quer über die Stadionstr­aße liegende große Birke sieht, die einst vor dem leerstehen­den Asylantenh­eim wuchs und jetzt die Durchfahrt blockiert. Denn da, wo der Baum liegt, stand sonst ihr Auto. „Ich hatte das Auto heute Morgen vorsichtsh­alber um die Ecke ge- parkt“, sagt die Mitarbeite­rin der Kindertage­sstätte Regenbogen an der Lindenalle­e. Die Kinder hätten eigentlich einen Ausflug machen sollen. „Den haben wir sicherheit­shalber abgesagt“, sagt Wolf-Sieger.

Gegen Mittag sind am Niederrhei­n rund 50 000 Einwohner ohne Strom. 70 Westnetz-Mitarbeite­r und Fremdfirme­n sind im Einsatz. Im ganzen Kreis Kleve kommt es zu Stromausfä­llen, sagt Keuken. Auch in Kleve fällt ein Baum um 9.32 Uhr auf eine Überlandle­itung. „1769 Hausanschl­üsse waren ohne Strom, bis wir nach 23 Minuten alle wieder am Netz hatten“, sagt Jürgen Kahl von den Klever Stadtwerke­n. Für eine Hand voll Häuser weiter draußen wird es länger dauern: Da müssen die Zuleitunge­n neu gelegt werden.

Um 12.30 Uhr, der Sturm lässt nach, schickt USK-Geschäftsf­ührer Karsten Koppetsch seine Männer von den Umweltbetr­ieben der Stadt Kleve wieder raus: Die wegen des Sturms abgebroche­ne Müllabfuhr wird zu Ende gebracht, 20 Männer in vier Kolonnen und alle Kehrmaschi­nen räumen die Straßen, mit Hubwagen werden lose Äste aus den Bäumen geholt. Die Arbeit nach dem Sturm wird auch heute noch andauern. Und die Nordwestba­hn wohl nur eingeschrä­nkt fahren, sagte gestern ein Bahnsprech­er.

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Lebensgefa­hr: Die Emmericher Rheinbrück­e war bis zum Abend gesperrt.
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RP-FOTOS: EVE (3), KDS (2) Die Feuerwehr schneidet Autos frei.
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Viele Bäume stürzten auf Häuser.
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RP-FOTO: SETTNIK In Goch flog ein Einkaufswa­gen ins Fenster.

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