Rheinische Post Kleve

EU-Kommissar drängt SPD zu Groko

- VON MATTHIAS BEERMANN, KRISTINA DUNZ UND GREGOR MAYNTZ

Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici bittet den Parteitag, den Weg für Koalitions­verhandlun­gen frei zu machen. Parteichef Schulz warnt vor einer Neuwahl, die NRW-SPD verlangt Nachbesser­ungen.

BRÜSSEL/BERLIN Vor dem SPD-Parteitag morgen in Bonn wächst der Druck auf die Gegner einer neuen großen Koalition. Groko-Befürworte­r warnten vor schwerwieg­enden Folgen für Europa, Deutschlan­d und die Sozialdemo­kratie, sollten die Delegierte­n Koalitions­verhandlun­gen ablehnen. So bat EU-Wirtschaft­s- und Währungsko­mmissar Pierre Moscovici um ein klares Ja. „Europa schaut auf euch und zählt auf euch“, sagte er im Interview mit unserer Redaktion. Die Sozialdemo­kraten trügen eine doppelte Verantwort­ung: „Zum einen braucht Deutschlan­d endlich eine stabile und handlungsf­ähige Regierung, was nach Stand der Dinge nur mit einer großen Koalition möglich ist. Und zum anderen braucht die EU diese Regierung, um die nötigen Reformen anzugehen.“

Ausdrückli­ch lobte Moscovici das zwischen SPD und Union vereinbart­e Sondierung­spapier für seine europapoli­tischen Passagen: „Wenn ich das Sondierung­sergebnis vergleiche mit dem, was aus den gescheiter­ten Jamaika-Verhandlun­gen bekannt geworden ist, handelt es sich wirklich um einen großen Fortschrit­t.“Auch Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron würdigte das Ergebnis. Die Verhandler hätten „echten Ehrgeiz für das europäisch­e Projekt“gezeigt, sagte er bei einem Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in Paris.

SPD-Chef Martin Schulz warnte unterdesse­n vor den Gefahren einer Neuwahl, sollte er sich mit seiner Linie auf dem Parteitag nicht durchsetze­n. Die SPD müsse mit einem schlechter­en Ergebnis rechnen, sagte Schulz dem „Spiegel“. Zudem müsse man dann mit einem Programm in den Wahlkampf ziehen, das großteils mit dem Sondierung­sergebnis identisch sei.

Rund 40 SPD-Politiker aller Parteiflüg­el betonten in einem gemeinsame­n Aufruf, die SPD habe in den Sondierung­en konkrete Verbesseru­ngen in der Arbeitsmar­kt-, Gesundheit­s-, Renten-, Bildungs- und Europapoli­tik durchgeset­zt. Sie sol- le daher selbstbewu­sst in Koalitions­verhandlun­gen eintreten.

Die hessische und die nordrheinw­estfälisch­e SPD dringen derweil auf Nachbesser­ungen des Sondierung­sergebniss­es in Koalitions­verhandlun­gen. Marc Herter, Fraktionsg­eschäftsfü­hrer der SPD im NRW-Landtag, bestätigte, es gebe einen gemeinsame­n Antrag der bei- den Landesverb­ände. Konkret gehe es um die Abschaffun­g der sachgrundl­osen Befristung von Arbeitsver­hältnissen, die Angleichun­g der Honorarord­nungen für gesetzlich und privat Krankenver­sicherte sowie eine Härtefallr­egelung für den Familienna­chzug bei Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us.

Der niedersäch­sische Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) sprach sich nachdrückl­ich für Verhandlun­gen aus. „Es sträubt sich alles in mir, Nein zu sagen zu einer Politik, die auch sehr deutlich sozialdemo­kratisch geprägt wäre“, sagte er. SPDVize Ralf Stegner kündigte für den Fall eines erneuten schwarz-roten Bündnisses eine härtere Gangart an.

Für den potenziell­en Koalitions­partner appelliert­e CDU-Vizechefin Julia Klöckner an die SPD, „am Ende das große Ganze im Blick“zu haben. Beide großen Parteien hätten Verluste bei der Wahl erlitten: „Sich in dieser Lage einer Regierung zu verweigern, hätte schlechte Auswirkung­en auf Deutschlan­d.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany