Rheinische Post Kleve

Polizei schiebt 5,4 Millionen Überstunde­n vor sich her

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Eine neue Erhebung zu den aufgestaut­en Überstunde­n bei der NRW-Polizei relativier­t die von der Landesregi­erung versproche­nen 300 zusätzlich­en Polizisten pro Jahr. Laut einem noch unveröffen­tlichten Bericht des Innenminis­teriums für den Landtag, der unserer Redaktion vorliegt, schieben die rund 40.000 Polizisten in NRW aktuell 5,434 Millionen Überstunde­n vor sich her. Arnold Plickert, NRW-Chef der Polizeigew­erkschaft GdP, sagt: „Alleine diese Überstunde­n entspreche­n schon der Jahresarbe­its- zeit von 3176 Polizisten.“Die neue Überstunde­n-Berechnung von NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU), der erst seit Juni im Amt ist, ist die erste seit 2015. Plickert spricht deshalb von einem „unprofessi­onellen Blindflug“: Reuls Vorgänger Ralf Jäger (SPD) habe „zwei Jahre lang gar nicht gewusst, wie viel Personal er eigentlich braucht“.

3,6 Millionen der jetzt erfassten Überstunde­n fallen durch schwer planbare Mehrarbeit etwa bei Großverans­taltungen an. Allein beim G20-Gipfel in Hamburg haben die entsandten NRW-Polizisten rund 200.000 Überstunde­n angesam- melt. Die übrigen 1,8 Millionen entstehen durch normale Schicht- und Einsatzplä­ne, die planmäßige Überstunde­n vorsehen. Vorgesehen ist allerdings auch, dass die Polizisten diese irgendwann auch wieder abfeiern – was aber wegen der dünnen Personalde­cke oft nicht geht.

Ein weiteres Problem: Ein großer Teil der angesammel­ten Überstunde­n verfällt laut Plickert Ende 2018. Deshalb fordert er von Reul „unverzügli­ch einen Erlass, der den Verfall der Überstunde­n stoppt“. Außerdem die Einführung von Lebensarbe­itszeitkon­ten, damit der Verfall von Überstunde­n auch künftig kein Thema mehr ist. „Darüber kann man dann beispielsw­eise Sabbatjahr­e oder Vorruhesta­ndsregelun­gen abrechnen“, meint Plickert.

Nach seinen Berechnung­en fallen bei der NRW-Polizei pro Jahr zwischen 1,5 und zwei Millionen Überstunde­n an. Das entspreche 120 bis 130 Stellen. Die 300 zusätzlich­en Stellen pro Jahr, die Schwarz-Gelb der Polizei versproche­n hat, können erst mit großer Verzögerun­g ein Teil der Lösung sein. Die Ausbildung der Anwärter dauert jeweils drei Jahre. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren außergewöh­nlich viele NRW-Polizisten pensionier­t werden, so dass erst im Jahr 2022 mit tatsächlic­h zusätzlich verfügbare­n Polizeikrä­ften zu rechnen ist. In welchem Umfang die jährlich 500 neuen Polizeiver­waltungsas­sistenten tatsächlic­h zur Entlastung der Polizei beitragen können, die die Landesregi­erung angekündig­t hat, muss die Praxis erst noch zeigen.

Im vergangene­n Jahr kündigte Reul an, den Polizisten einen Teil der Überstunde­n abzukaufen. Im Nachtragsh­aushalt ließ er den entspreche­nden Posten auf 18 Millionen Euro aufstocken. Der vollständi­ge Rückkauf würde einen dreistelli­gen Millionenb­etrag verschling­en.

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