Polizei schiebt 5,4 Millionen Überstunden vor sich her
DÜSSELDORF Eine neue Erhebung zu den aufgestauten Überstunden bei der NRW-Polizei relativiert die von der Landesregierung versprochenen 300 zusätzlichen Polizisten pro Jahr. Laut einem noch unveröffentlichten Bericht des Innenministeriums für den Landtag, der unserer Redaktion vorliegt, schieben die rund 40.000 Polizisten in NRW aktuell 5,434 Millionen Überstunden vor sich her. Arnold Plickert, NRW-Chef der Polizeigewerkschaft GdP, sagt: „Alleine diese Überstunden entsprechen schon der Jahresarbeits- zeit von 3176 Polizisten.“Die neue Überstunden-Berechnung von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der erst seit Juni im Amt ist, ist die erste seit 2015. Plickert spricht deshalb von einem „unprofessionellen Blindflug“: Reuls Vorgänger Ralf Jäger (SPD) habe „zwei Jahre lang gar nicht gewusst, wie viel Personal er eigentlich braucht“.
3,6 Millionen der jetzt erfassten Überstunden fallen durch schwer planbare Mehrarbeit etwa bei Großveranstaltungen an. Allein beim G20-Gipfel in Hamburg haben die entsandten NRW-Polizisten rund 200.000 Überstunden angesam- melt. Die übrigen 1,8 Millionen entstehen durch normale Schicht- und Einsatzpläne, die planmäßige Überstunden vorsehen. Vorgesehen ist allerdings auch, dass die Polizisten diese irgendwann auch wieder abfeiern – was aber wegen der dünnen Personaldecke oft nicht geht.
Ein weiteres Problem: Ein großer Teil der angesammelten Überstunden verfällt laut Plickert Ende 2018. Deshalb fordert er von Reul „unverzüglich einen Erlass, der den Verfall der Überstunden stoppt“. Außerdem die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten, damit der Verfall von Überstunden auch künftig kein Thema mehr ist. „Darüber kann man dann beispielsweise Sabbatjahre oder Vorruhestandsregelungen abrechnen“, meint Plickert.
Nach seinen Berechnungen fallen bei der NRW-Polizei pro Jahr zwischen 1,5 und zwei Millionen Überstunden an. Das entspreche 120 bis 130 Stellen. Die 300 zusätzlichen Stellen pro Jahr, die Schwarz-Gelb der Polizei versprochen hat, können erst mit großer Verzögerung ein Teil der Lösung sein. Die Ausbildung der Anwärter dauert jeweils drei Jahre. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren außergewöhnlich viele NRW-Polizisten pensioniert werden, so dass erst im Jahr 2022 mit tatsächlich zusätzlich verfügbaren Polizeikräften zu rechnen ist. In welchem Umfang die jährlich 500 neuen Polizeiverwaltungsassistenten tatsächlich zur Entlastung der Polizei beitragen können, die die Landesregierung angekündigt hat, muss die Praxis erst noch zeigen.
Im vergangenen Jahr kündigte Reul an, den Polizisten einen Teil der Überstunden abzukaufen. Im Nachtragshaushalt ließ er den entsprechenden Posten auf 18 Millionen Euro aufstocken. Der vollständige Rückkauf würde einen dreistelligen Millionenbetrag verschlingen.