Handball-Deutschland hat Gesprächsbedarf
VARAZDIN Vor einem Jahr waren sie plötzlich alle weg. Funktionäre, Trainer und Spieler verließen Paris nach dem WM-K.o. im Achtelfinale gegen Katar fluchtartig. Auch gestern standen die Profis nicht mehr Rede und Antwort, dafür stellten sich der Chefcoach und drei Spitzenfunktionäre – Präsident Andreas Michelmann, Vizepräsident Bob Hanning und Sportdirektor Axel Kromer – nach dem EM-Aus. Nach einer zu Beginn der zweiten Halbzeit kaum erklärbaren blamablen Leistung, die Spanien zum 8:0-Lauf nutzte (auf 23:15), war es ein trauriger Tag für den deutschen Handball.
Das sportliche Ziel hieß Halbfinale, und es wäre mit einem Sieg geschafft worden. So reichte es am Ende nur zu Rang neun. Nach der zweiten Bruchlandung innerhalb eines Jahres besteht Gesprächsbedarf. Im Zentrum der Diskussionen: Christian Prokop. Er bestritt sein erstes großes Turnier. Doch ist der Job des Bundestrainers ein Ausbildungsberuf? Aber auch die Spieler müssen sich erklären.
Erste Gespräche gibt es am 3. Februar, wenn im Rahmen des Allstarspiels der Nationalmannschaft gegen eine Bundesliga-Auswahl in Leipzig die lange anberaumte DHBPräsidiumssitzung stattfindet. Die Zeit drängt. Im Januar 2019 findet in Deutschland und Dänemark eine WM statt. Dann muss man liefern. In Kroatien hat es nicht geklappt. So gut wie nie stand eine Mannschaft auf dem Platz, in der alle ihr Limit erreichten oder Führungsfiguren für einen Zusammenhalt sorgten. Prokop hat einen Plan: aus der Abwehr den Ball schnell nach vorne spielen, einfache Tore erzielen und von jeder Position unberechenbar sein. Letzteres waren seine Spieler – aber im negativen Sinne.
Für Prokop ist ein Rücktritt kein Thema. Er habe noch Großes vor, sagte er. Er habe Erfahrungen gesammelt, auch viele negative, und Erkenntnisse, die er hoffentlich noch erfolgreich nutzen könne, er- klärte der 39-Jährige. Sein Vertrag läuft bis Sommer 2022. Eine eindeutige Rückendeckung gab es jedoch nicht mehr. „Das Ziel ist es, mit ihm weiterzumachen“, sagte Hanning, der Prokop trotz einiger Widerstände einstellte.
In der EM-Qualifikation und kurz vor der EM zeigte die Mannschaft attraktiven Handball. Ausgerechnet der Angriff wurde nun zur großen Baustelle. Es fehlt ein Regisseur. Hannings Hinweis, dass von den Rückraumakteuren allein der Kieler Steffen Weinhold in der Champions League spielt, stimmt, erklärt aber nicht, weshalb Männer wie Julius Kühn, Kai Häfner und Paul Drux meistens unter Form blieben.
Die Ausbootung von Finn Lemke sechs Tage vor EM-Beginn hat wohl die Chemie zwischen Teilen der Mannschaft und dem Trainer verändert, auch wenn es keiner offen kommuniziert. Prokop holte den Abwehrspezialisten nach zwei Spielen zurück. Lemke war einer der wenigen „Gewinner“im Team der Verlierer, die laut Torhüter Andreas Wolff „ein katastrophales Turnier“spielten. Prokop wechselte zu Beginn viel. Klappt es, ist es die perfekte Form, Kräfte zu sparen. Geht es schief, bringt es Unruhe.
In vier bis sechs Wochen sollen Ergebnisse der ernsten, ehrlichen und harten Analyse (Hanning) vorliegen. Der Vizepräsident war vor