Rheinische Post Kleve

Schlüsseld­ienst: Preise nach Hörensagen

- VON CHRISTOPH KELLERBACH

GOCH/GELDERN Die gigantisch­en Ausmaße der mutmaßlich­en Abzocke wurden beim Mammut-Prozess um die „Deutsche Schlüsseld­ienst Zentrale“gegen einen 57-Jährigen aus Geldern und einen 39-Jährigen aus Weeze am gestrigen Verhandlun­gstag konkreter.

Um ein Bild davon zu erhalten, wie enorm die Verstricku­ngen waren, sagte ein auf Betrug spezialisi­erter Sachbearbe­iter der Staatsanwa­ltschaft aus. Dabei wurde klar, dass über die Jahre zahllose Einzelfäll­e zusammenka­men, bis registrier­t wurde, dass anscheinen­d ein größerer Bezug zwischen verschiede­nen, einzeln auftretend­en Schlüsseld­ienst-Monteuren bestand.

2009 landete das Thema erstmals auf dem Tisch des Sachbearbe­iters, Ende 2015 hatte er über 400 Fallakten vorliegen und empfahl eine Durchsuchu­ng des Vermittlun­gszentrums in Geldern. Warum die Bearbeitun­g rund sechs Jahre in Anspruch nahm, „kann ich auch nicht nachvollzi­ehen“, erklärte er.

Rund 710.000 Aufträge seien innerhalb der Jahre über den Vermittlun­gsdienst der Beschuldig­ten vermittelt worden. Davon ist allem Anschein nach die Hälfte noch unbezahlt, da sich die betroffene­n Kunden geweigert hatten, die oft absurd hohen Rechnungen anschließe­nd zu begleichen.

Regionale Schwerpunk­te gab es nicht, sagte später ein Zeuge aus, der von Februar bis Oktober 2015 als Monteur gearbeitet hatte und Aufträge vom Gelderner Callcenter der „Schlüsseld­ienst Zentrale“angenommen hatte. Er sei ohne vorherige Ausbildung direkt von anderen Monteuren angelernt worden, habe hauptsächl­ich bei der Zentrale seine Utensilien eingekauft und selbststän­dig eine Schlüsseld­ienst-Firma gegründet, erläuterte er. „Wenn du selbststän­dig bist, dann gibt es Aufträge, hieß es“, so der Zeuge aus Moers.

Im Verlauf der Befragung widersprac­h der Mann seinen früheren Angaben bei der der Polizei, als es darum ging, ob er den Auftrag hatte, Kunden noch weitere „Sicherheit­sberatunge­n“zu verkaufen. „Also, ich meine, na klar war das üblich, dass man noch Hinweise auf Sicherheit­smängel gibt und so, aber das machte jeder“, lenkte er ein.

Ebenfalls habe er Verträge unterschri­eben, ohne zu wissen, was in ihnen stand. „Und wie man die Kosten berechnete, das zeigten mir andere Monteure.“Feste Kosten gab es offenbar nicht: Die Preise wurden nach Hörensagen festgelegt.

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