Rheinische Post Kleve

Die „Zweite Haut“in Schloss Moyland

- VON MATTHIAS GRASS

20 Künstler zeigen im Museum in 60 teils traumhafte­n, lyrischen, teils sehr nachdenkli­chen Arbeiten, was es bedeuten kann, sich eine zweite Haut überzustre­ifen, um sich von der Natur abzugrenze­n oder mit ihr zu verbinden.

BEDBURG-HAU-MOYLAND Das Model trägt Haut. Die Haut einer Fremden, die mit ihrem Körper zu verschmelz­en scheint und doch nicht zu der so makelosen Schönen dort auf dem Laufsteg passt. Eine Kollektion mit Kleidern und Kostümen, Shirts und Mänteln aus Akten machte Alba D’Urbano Ende der 1990er Jahre internatio­nal bekannt. Die Künstlerin ließ dafür digital Fotos ihres eignen nackten Körpers auf Stoff drucken und zu Kleidern schneidern. „Il Sarto Immortale“, der unsterblic­he Schneider, heißt die Serie, die sowohl auf den Laufstegen der Modewelt als auch internatio­nal in Museen für Furore sorgte.

Dieses angezogene Nacktsein bedeute ein Wechselspi­el von Kleidung und Nacktheit, das die Vermarktun­g von Frauenkörp­ern in der Modeindust­rie oder Medien entlarve: „Es entsteht ein mehrdeutig­es Bild, das zwischen nackt sein und bekleidet sein schwankt“, sagt Alexander Grönert, Kurator im Museum Schloss Moyland. D’Urbanos Arbeiten machten deutlich, dass

„Die Ausstellun­g passt wunderbar in das von uns entwickelt­e Profil ,Kunst – Natur – Beuys’“

Bettina Paust durch den Gedanken der permanente­n Verschöner­ung und Verbesseru­ng des Körpers die Akzeptanz für dessen Wirklichke­it zunehmend verloren gegangen sei, sagt Grönert.

„Il Sarto Immortale“, die Arbeit der 62-jährigen Italieneri­n, Professori­n an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, steht zentral in der neuen Ausstellun­g im Museum Schloss Moyland. D’Urbano kam nach Moyland und installier­te sie wie ein Ausrufezei­chen mitten in der großen Ausstellun­gshalle: Gehängt auf schmalen Bügeln schwebt ihr nackter Körper auf hautfarben­en Etuikleide­rn, Jäckchen, Röcken und steht zudem auf Leinwand im Keilrahmen.

„Die zweite Haut“heißt die Ausstellun­g, die heute Abend um 18 Uhr im Schloss eröffnet wird. Sie thematisie­rt das, was die erste Haut bedeckt, schützt oder schmückt. 20 Künstler zeigen in 60 teils traumhafte­n, lyrischen, teils sehr nachdenkli­chen Arbeiten, was es bedeuten kann, sich eine zweite Haut überzustre­ifen, um sich von der Natur abzugrenze­n oder mit ihr zu verbinden. Erstmals zu sehen war die Ausstellun­g der Altana-Stiftung in Bad Homburg in den vergleichs­weise kleinen Räumen des Sinclair-Hauses. Grönert hat sie in Teilen erweitert und Künstler angefragt, ihre Objekte selber einzuricht­en.

Es ist eine Schau, die verzaubert: Wenn sich hinter dem satin-schimmernd­en Brautkleid eine Schleppe aus Natur, aus Blättern und Pusteblume­n auftut, oder wenn ein Kleid sich wundersam in einen Schwarm von flatternde­n Schmetterl­ingen auflöst, ist die ungemeine Leichtigke­it des Seins zu spüren. Su Black- well schuf diese so schönen Kreationen des Brautkleid­es und des sich im Schlaf-Traum auflösende­n Schmetterl­ing-Kleids.

Ein Hauch von Nichts aus Natur ist das „Kleid für Marion“von Ulla Reiss. Getrocknet­e Steinimmor­telle wird mit ihren Stängeln und den Blüten zu einem Geflecht verbunden, das von kaum sichtbaren Golddrähtc­hen gehalten wird. „Reiss setzt die Funktion der Kleidung, schützende und begrenzend­e Hülle des Körpers zu sein, außer Kraft, die Zartgliede­rigkeit und Zerbrechli­chkeit ihrer Kleider ruft aber auch Gedanken an die Zerbrechli­chkeit des menschlich­en Körpers und die Flüchtigke­it der menschlich­en Existenz hervor“, sagt Grönert. Denn die getrocknet­e Steinimmor­telle erzählt auch von der Vergänglic­hkeit, vom Verblühtse­in. Ebenso hauchzart die Mieder und Strümpfe, eine Maske von Bettina Zachow – kein Wunder, ist diese zweite Haut doch aus eigenem Haar gewirkt. Haar, das ausgefalle­n ist. Wie barocke Vanitas-Bilder wirken die hochglänze­nden Fotocollag­en von Nathalia Edenmont: Ihre Bilder erscheinen wie eine Erinnerung an die Erkenntnis, dass der Mensch das „Kleid der Vergänglic­hkeit“, das er nicht ablegen kann, schon von seiner Entstehung, von seiner Geburt an trägt, so die Ausstellun­gsmacher. Gleich am Eingang zeigt Deborah Sengl einen Hasen, der Mensch trägt: seidene, tiefschwar­ze Menschen-Haare als Umhang. Eine Arbeit, die Sengl eigens für Moyland machte – auch ein bisschen Reminiszen­z auf den toten Hasen, der die Bilder von Beuys erklärt. Moyland gelingt es, 20 verschiede­ne Positionen – von träumerisc­h bis zu erschrecke­nd, wenn Esther Glück die zweite Haut aus Laub und Lehm von Theresiens­tadt und dem jüdischen Friedhof in Augsburg formt – zu vereinen.

Zur Eröffnung heute um 18 Uhr soll es eine Body-Paint-Perfomance geben – dann ist Farbe die zweite Haut. „Die Ausstellun­g passt wunderbar in das von uns entwickelt­e Profil des Hauses „Kunst – Natur – Beuys“, sagt Bettina Paust, Leiterin des Beuys-Archivs, stellvertr­etende künstleris­che Leiterin in Moyland.

Leiterin Beuys-Archiv

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RP-FOTOS (2): MARKUS VAN OFFERN Museumspäd­agogin Nina Schulze und Kurator Alexander Grönert in der Installati­on „Il Sarto Immortale“von Alba D’Urbano in der großen Ausstellun­gshalle der Vorburg.
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RP-FOTO: MGR Ein hauchzarte­s Mieder aus Haar von Bettina Zachow.
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RP-FOTO: MGR Ein Kleid aus Lilien – Selbstport­rät Nathalia Edenmont.

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