Rheinische Post Kleve

Groko-Spannung bis zum Schluss

- VON KRISTINA DUNZ UND HENNING RASCHE

Union und SPD erzielen wieder keinen Durchbruch, weil sie sich bei Gesundheit und Arbeitsmar­kt verhaken. Dabei ist das Allermeist­e schon geklärt. Heute läuft die selbst gesetzte Einigungsf­rist ab.

BERLIN Union und SPD wollen für einen neuen Aufbruch mit einer großen Koalition Milliarden von Euro für bessere Lebensbedi­ngungen in Deutschlan­d ausgeben. In einem 160-seitigen Koalitions­vertrag listen sie neue Unterstütz­ung für Arbeitnehm­er, Mieter und Pfleger auf, verspreche­n mehr Geld für Europa, Familien und arme Rentner. Sie kündigen ferner Maßnahmen für mehr Sicherheit, Tierschutz und Ökolandbau sowie eine flächendec­kende Digitalisi­erung und Investitio­nsoffensiv­en für die Bildung an.

Allerdings konnten Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz wieder keinen Durchbruch bei den letzten Streitthem­en der von der SPD geforderte­n Angleichun­g der Arzthonora­re für Privat- und Kassenpati­enten sowie der Eindämmung von sachgrundl­os befristete­n Arbeitsver­trägen erzielen. Die Verhandlun­gen wurden am Abend erneut vertagt. Die von Union und SPD selbst gesetzte Frist für den Abschluss eines Koalitions­vertrags endet heute. Aus Parteikrei­sen verlautete, die Gespräche sollten abgeschlos­sen werden, möglicherw­eise werde der Koalitions­vertrag aber erst morgen präsentier­t. Offen ist auch noch die Finanzieru­ng der Wünsche der Unterhändl­er. Sie haben Berechnung­en zufolge bis 2021 einen Spieltraum von 46 Milliarden Euro für zusätzlich­e Ausgaben. In der Summe kamen sie mit ihren Vorhaben aber auf bis zu 100 Milliarden Euro.

Die große Koalition hat nach einer neuen Meinungsum­frage derzeit keine Mehrheit mehr. Im aktuellen Insa-Meinungstr­end für die „Bild“-Zeitung kommen Union und SPD nur noch auf 47,5 Prozent der Wählerstim­men. Damit gebe es erstmals seit Erhebung des INSAMeinun­gstrends keine Mehrheit mehr für eine Koalition aus Union und SPD. Bei der Wahl im September waren beide Lager zusammen auf 53,4 Prozent gekommen.

Das Bundesverf­assungsger­icht prüft die Zulässigke­it des geplanten Mitglieder­votums der SPD zu einer großen Koalition. In Karlsruhe liegen derzeit fünf Anträge vor, die sich gegen die Befragung der rund 450.000 SPD-Mitglieder wenden. Einen der Anträge hat das Verfassung­sgericht bereits ohne Begründung abgelehnt. Wann es über die anderen entscheide­t, ist noch unklar. Vor vier Jahren hatte das höchste deutsche Gericht das Mitglieder­votum in einem Eilverfahr­en zugelassen.

Trotz der umfangreic­hen Pläne ernteten Union und SPD viel Kritik. Sozialverb­ände kritisiert­en, die vor- gesehenen zusätzlich­en 8000 Stellen für Alten- und Krankenpfl­eger reichten bei Weitem nicht aus. Wirtschaft­sverbände beklagten mangelnde Rücksicht auf Unternehme­r, die sich im internatio­nalen Wettbewerb vor allem durch die drastische Senkung von Unternehme­nsteuern in den USA beeinträch­tigt sehen.

Wie sehr die Unterhändl­er für den Koalitions­vertrag ins Detail gingen, zeigt sich am Thema Wolf. Das erst vor wenigen Jahren in Deutschlan­d wieder angesiedel­te Tier löst bei Bauern großen Unmut aus, weil zunehmend Schafe oder Kälber gerissen werden. Nun wollen Union und SPD den Abschuss von „gefährlich­en“Wölfen erlauben, was Tierschütz­er kritisiere­n. Die rheinlandp­fälzische CDU-Chefin Julia Klöckner verteidigt­e die geplante Tötung: „Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die EU-Kommission auffordern, den Schutzstat­us des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungs­zustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsre­duktion herbeiführ­en zu können.“

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