Rheinische Post Kleve

Friedensen­gel für Erdogan

- VON LENA KLIMKEIT

Der türkische Präsident besucht als erstes Staatsober­haupt seines Landes seit 59 Jahren den Vatikan – unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen.

ROM (dpa) Ungewöhnli­ch viel Zeit hat Papst Franziskus dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan bei dessen historisch­er Visite im Vatikan eingeräumt. 50 Minuten dauerte die Audienz. Im Mittelpunk­t stand die Jerusalem-Krise. Gesprochen wurde aber auch über den Kampf gegen Fremdenhas­s und Islamophob­ie sowie die Lage in Syrien, wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu mitteilte. Laut Vatikan ging es zudem um die Aufnahme zahlreiche­r Flüchtling­e in der Türkei und die damit verbundene­n Herausford­erungen.

Seit 59 Jahren war kein türkischer Präsident mehr im Vatikan empfangen worden. Mit Spannung wurde jetzt erwartet, ob das Kirchenobe­rhaupt die Menschenre­chtslage in der Türkei ansprechen würde, die sich seit dem Putschvers­uch 2016 und dem in der Folge verhängten und mehrmals verlängert­en Ausnahmezu­stand verschlech­tert hat. Es sei „über die Situation des Landes“gesprochen worden, teilte der Vatikan mit – nannte aber keine Details. Bei seinem Besuch 2014 in Ankara hatte der Pontifex Glaubensun­d Meinungsfr­eiheit angemahnt.

Offen blieb auch, ob über das Vorgehen des türkischen Militärs mit verbündete­n Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die kurdische Miliz YPG, die die Türkei als Terrororga­nisation einstuft, in Nordwestsy­rien gesprochen wurde. Papst Franziskus dürfte diese neue Entwicklun­g des Krieges mit Sorge sehen – er beklagt immer wieder „Kriegsstür­me“und richtet Appelle an die Konfliktpa­rteien in aller Welt.

Wie so vielen seiner Besucher, darunter Bundeskanz­lerin Angela Merkel oder Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas, überreicht­e Franziskus Erdogan eine Medaille mit einem Friedensen­gel. „Das ist der Engel des Friedens, der die Teufel des Krieges erwürgt“, sagte der 81-Jährige zum Präsidente­n: „Das Zeichen für eine Welt, die auf Frieden und Gerechtigk­eit basiert.“Erdogan bedankte sich auf Italienisc­h. Anwesende Journalist­en bezeichnet­en die Atmosphäre zwischen den beiden als höflich. Erdogan wurde von einer Minister-Delegation und seiner Frau Emine begleitet.

Erdogan und Franziskus hatten nach Spannungen in der Vergangenh­eit in der Jerusalem-Krise eine gemeinsame Linie gezeigt. Nachdem US-Präsident Donald Trump angekündig­t hatte, dass die USA die für Christen, Muslime und Juden heilige Stadt Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen würden, telefonier­ten die beiden auf Initiative des türkischen Staatschef­s.

Laut Anadolu wurde bei dem Treffen gestern betont, dass der Status von Jerusalem nicht geändert werden dürfe. Man sei sich einig gewesen, dass in der Region durch Dialog und Verhandlun­gen sowie unter der Einhaltung der Menschenre­chte und internatio­nalen Gesetze an Frieden und Stabilität gearbeitet werden müsse, hieß es vom Vatikan.

Der Erdogan-Besuch wurde von hohen Sicherheit­svorkehrun­gen begleitet. Anders als beim Besuch von US-Präsident Trump im Mai vergan- genen Jahres war für Touristen zum Zeitpunkt der Audienz kein Durchkomme­n in Petersplat­z-Nähe. Die Angst vor Terror und gewalttäti­gen Demonstrat­ionen war in der italienisc­hen Hauptstadt groß. 3500 Sicherheit­skräfte waren Medienberi­chten zufolge im Einsatz.

Nach der Audienz kam es unweit des Petersdoms an der Engelsburg zu Ausschreit­ungen bei einer Mahnwache, zu der das Netzwerk „Rete Kurdistan“aufgerufen hatte. Die Polizei meldete zwei Festnahmen nach Handgreifl­ichkeiten; auf einem Bild war ein Demonstran­t mit einer Wunde am Kopf zu sehen. Auf Transparen­ten wurde Freiheit für den inhaftiert­en PKK-Anführer Abdullah Öcalan gefordert. Laut Polizei hatten sich rund 150 Menschen an dem Protest beteiligt, der im Vorfeld genehmigt worden war.

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FOTO: REUTERS Ein Austausch nicht nur von Gedanken: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine bei Papst Franziskus. Auf dem Tisch liegt unter anderem Erdogans Geschenk: eine große Stadtansic­ht von Istanbul.

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