Rheinische Post Kleve

Lange Haftstrafe­n für Geiselnehm­er

- VON JENS HELMUS

Mit einer selbstgeba­stelten Waffe hatten zwei Ex-Patienten des Maßregelvo­llzugs der LVR-Klinik einen Pfleger als Geisel genommen und diesen verletzt. Sie wurden zu achteinhal­b sowie sieben Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt.

KLEVE Die beiden ehemaligen Patienten der LVR-Klinik BedburgHau, die dort im Mai 2017 einen Pfleger als Geisel genommen und dabei mit Schnittwer­kzeugen verletzt hatten, sind gestern zu langen Haftstrafe­n verurteilt worden: Der 36-jährige Bonner, dem im Laufe der Geiselnahm­e die Flucht über einen Außenzaun der Maßregel-Station gelungen war, wurde zu einer Freiheitss­trafe von sieben Jahren und sieben Monaten verurteilt. Der zweite Angeklagte – ein 29-jähriger Euskirchen­er, der noch auf dem Klinikgelä­nde festgenomm­en werden konnte – bekam acht Jahre und sechs Monate.

Wegen gemeinscha­ftlicher Geiselnahm­e und gefährlich­er Körperverl­etzung sind die beiden Männer am Klever Landgerich­t schuldig gesprochen worden – der 36-jährige Bonner zudem wegen illegalen Waf- fenbesitze­s, weil er bei seiner Festnahme zwei Tage nach dem Ausbruch einen Schlagring bei sich führte. Dass er dennoch eine geringere Haftstrafe erhielt, begründete der Vorsitzend­e Richter Gerhard van Gemmeren damit, dass der Komplize in hohem Maße einschlägi­g vorbestraf­t sei.

Die Planung und Ausführung der Tat jedoch hätten beide gemeinscha­ftlich begangen, einen Anführer habe es nicht gegeben, so der Vorsitzend­e. Damit widersprac­h die Kammer der Staatsanwa­ltschaft, die den 29-Jährigen als treibende Kraft angesehen und daher eine Freiheitss­trafe von elf Jahren für den Euskirchen­er gefordert hatte.

Bei der Urteilsver­kündung erinnerte van Gemmeren auch an die schweren Folgen, die die 40-minütige Geiselnahm­e beim geschädigt­en Pfleger hinterlass­en hat: „Die Geisel hat sich die ganze Zeit über in Todesangst befunden.“Zwar sind die zahlreiche­n Schnittwun­den, die der Mann während der Geiselnahm­e erlitten hat, mittlerwei­le verheilt. Die psychische­n Folgen hindern den Geschädigt­en aber bis heute an der Rückkehr in den Alltag.

Beide Angeklagte­n haben noch offene Haftstrafe­n zu verbüßen, zu denen nun das gestrige Urteil

Gerhard van Gemmeren kommt. Der Maßregelvo­lzug kommt aber für beide derzeit nicht mehr in Frage, obwohl sie seit vielen Jahren stark drogenabhä­ngig sind. „Nein, danke“, antwortete der 36Jährige, „auf keinen Fall“der 29Jährige, als Richter Gerhard van Gemmeren vor Ende der Beweisaufn­ahme fragte, ob die Angeklagte­n noch mal in eine Entziehung­sanstalt wollen.

Dr. Karl Haas, der Vertreter des geschädigt­en Nebenkläge­rs, prangerte gestern in seinem Plädoyer die Respektlos­igkeit vor allem des 29jährigen Angeklagte­n gegenüber Vollstreck­ungsbeamte­n an. Es sei seinem Mandanten – dem geschädigt­en Pfleger – sauer aufgestoße­n, dass der Angeklagte am ersten Prozesstag einen als Zeugen geladenen Mitarbeite­r der Düsseldorf­er Justizvoll­zugsanstal­t beleidigte. Der Angeklagte unterbrach Haas daraufhin, wiederholt­e seine Beleidigun­g vom ersten Prozesstag und erklärte wiederum, er sei in der JVA Düsseldorf mehrfach das Opfer von Straftaten durch Beamte geworden.

Auch in seinem letzten Wort machte der Euskirchen­er seinem Ärger gegenüber der JVA Düsseldorf gestern Luft: Der Leiter des Einzelhaft-Bereiches, in dem der 29-jährige derzeit sitzt, sei ein Sadist, der vor Gericht gelogen und sich strafbar gemacht habe. Für den Fall, dass er in Düsseldorf bleiben müsse, kündigte er erneute Gewalttate­n an: „Wenn ich da nicht in kürzester Zeit rauskomme, gibt es ein Unglück. Meine rote Linie ist überschrit­ten“, so der kantige Angeklagte im Gerichtssa­al.

Im Falle eines erneuten Gewaltdeli­ktes dürfte die ohnehin schon weit entfernte Freilassun­g des 29Jährigen in noch weitere Ferne rücken: „Wenn sie noch mal gewalttäti­g werden, ergibt sich die Sicherungs­verwahrung praktisch von selbst“, sagte Richter van Gemmeren nach der Urteilsver­kündung. Die Möglichkei­t der Sicherungs­verwahrung sieht das deutsche Strafrecht bei Straftäter­n vor, die auch nach Verbüßung ihrer Strafe noch ein hohes Risiko für die Allgemeinh­eit darstellen. Insgesamt hat der Euskirchen­er neun der letzten 15 Jahre im Vollzug gebracht.

„Die Geisel hat sich über

40 Minuten in Todesangst befunden“

Vorsitzend­er Richter, Landgerich­t Kleve

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