Rheinische Post Kleve

Auf das Feiern folgt nun der Verzicht

- VON ANJA SETTNIK

Norbert Hürter, Pfarrer der fusioniert­en Großgemein­de „Gocher Land“, hat selbst Karneval gefeiert und lädt nun zum Innehalten ein. Seine Aschermitt­wochsmesse ist beliebt, auch wenn sie sehr frühes Aufstehen erfordert.

GOCH Um so richtig zu verstehen, worum es ihm geht, muss man eigentlich mitgefeier­t haben, findet Norbert Hürter. Der Aschermitt­woch als ein Anlass, das bisher Gewesene in Frage zu stellen und sich neu zu sortieren, setze im Grunde voraus, seine Grenzen ausgeteste­t zu haben. Wenn der Pfarrer der fusioniert­en Pfarrei Gocher Land, zu der Pfalzdorf, Asperden, Kessel, Hommersum, Hülm und Hassum gehören, heute in der Hommersume­r Kirche St. Petrus die Aschermitt­wochs-Messe feiert, dann möchte er genau diesen Paradigmen­wechsel spürbar machen.

„Es wird eine feierliche Messe mit vielen lateinisch­en Gesängen sein, eine zeitlose, vielleicht streng er-

„Das Gewand zur Fastenzeit ist lila. Darin stecken Leid

und Himmel“

Norbert Hürter

Pfarrer „Gocher Land

scheinende Messfeier mit meditative­n Elementen“, sagt Hürter. Aus den Vorjahren weiß er, dass zu dieser und den Fastenzeit-Gottesdien­sten der Folgewoche­n besonders viele Gläubige kommen. Nicht zuletzt diejenigen, die nicht unbedingt an jedem Sonntagmor­gen in der Kirchbank sitzen. „Viele Berufstäti­ge sind dabei, sie stehen gerne mal früher auf, um sich diesen Impuls noch vor der Arbeit zu gönnen“, hat der Geistliche erfahren. Die Messe sei im übrigen trotz der lateinisch­en Lieder auch keinesfall­s nur streng, die Liturgie eher locker und etwas psychologi­sch die Lesung, zeitgemäß.

Für Norbert Hürter ist Karneval wichtig, „das ist keinesfall­s eine so beliebige Sache wie etwa Halloween“. Die Idee, mal richtig auf den Putz zu hauen, die überschäum­ende Freude mit anderen zu teilen und danach wieder zum Alltag zurück zu finden – das sei eine wichtige Erfahrung. „Das Leben hat Grenzen, setzt Grenzen, sie auszuteste­n und mal verschiebe­n zu wollen bedeutet eine Gratwander­ung, die sich unter anderem im Karneval ausdrückt.

Auch die Idee, mal aus der Rolle zu fallen, gehört dazu. Wenn wir uns am Rosenmonta­g verkleiden oder markieren, versuchen wir ja genau das: mal ein anderer zu sein.“Er selbst, erzählt Hürter schmunzeln­d, feiere durchaus gerne mit. „Vielleicht sollte ich den Gochern das gar nicht gestehen, aber ich fahre gerne nach Kranenburg, da ist alles ein wenig kleiner, familiärer, das gefällt mir. Dank der nahen Klever Hochschule sind dort auch sehr viele junge Leute.“Der Italien-Kenner stehe, so erzählt er, dann schunkelnd und singend als venezianis­cher Kaufmann am Rand des Getümmels. Um sich wenig später – vermutlich nach einem guten Glas Wein, denn auch dieser Genuss gehört für ihn dazu – gedanklich auf den Aschermitt­woch einzustell­en.

Am heutigen Mittwoch ist Pfarrer Hürter um 4.15 Uhr aufgestand­en. Seine Küsterin hat Luftschlan­gen besorgt, die in der Messe eine wich- tige Rolle spielen: „Sie werden als Botschaft der Verwandlun­g vor den Augen der Gottesdien­stbesucher verbrannt, daraus entsteht die Asche für das Aschenkreu­z. Ich predige über den Glauben als Möglichkei­t zur Befreiung. Teresa von Avila, die spanische Mystikerin, hat uns den Spruch ,Wenn Rebhuhn dann Rebhuhn, wenn Fasten dann Fasten’ hinterlass­en. Freude und Verzicht gehören zueinander, alles hat seine Zeit und braucht seinen Raum“, erklärt der Pastor. Niederrhei­ner würden vermutlich eher sagen „Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst“, was genauso wenig falsch ist.

Die Überzeugun­g der Christen, der Glaube allein trage schon die Erlösung in sich, ermuntere auch dazu, kein allzu schlechtes Gewissen wegen des vorausgega­ngenen Feierns haben zu müssen. Was, wie Hürter zugibt, im Einzelfall vielleicht auch schon mal etwas ernster zu hinterfrag­en sei.

Passend zum Beginn der Fastenzeit werden der Gocher-Land-Pfarrer und seine Amtsbrüder ihr violettes Gewand anlegen. „In dieser Farbe stecken sowohl das Herzblut, also das Leiden Christi, als auch das Himmelsbla­u“, erläutert der Geistliche. Die Farbe Lila ist in der Liturgie das Sinnbild für Übergang und Verwandlun­g. Getragen werden lilafarben­e Gewänder in der Fastenzeit und im Advent.

Bis Ostern ist nun an jedem Mittwoch um sechs Uhr früh in einer der Gemeinde-Kirchen von „Gocher Land“ein Fastengott­esdienst, zu dem jeder eingeladen ist. Als allzu traurige Sache sollte der Termin nicht angesehen werden, denn im Hinblick auf das Osterfest gehe liturgisch der Kampf ja gut aus . . .

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Pfarrer Norbert Hürter verbrennt Luftschlan­gen für das Aschekreuz.

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