Rheinische Post Kleve

Ditib zieht Imame aus Gefängniss­en ab

- VON LAURA IHME UND EVA QUADBECK

Die Zahl der muslimisch­en Prediger, die in deutschen Gefängniss­en wirken, ist bundesweit drastisch gesunken. Das liegt vor allem an NRW, wo die Geistliche­n einen Sicherheit­scheck durchlaufe­n müssen.

BERLIN In den deutschen Justizvoll­zugsanstal­ten sind derzeit rund 110 Imame zur Betreuung muslimisch­er Gefangener im Einsatz. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion unter allen 16 Bundesländ­ern ergeben. Die meisten Prediger sind der Erhebung zufolge in Nordrhein-Westfalens Gefängniss­en tätig: 25 Imame betreuen dort die Insassen.

Allerdings war diese Zahl noch vor drei Jahren deutlich höher. Damals waren allein in NRW rund 120 Imame in den Gefängniss­en im Einsatz. Der Grund für den deutlichen Rückgang ist ein Konflikt mit der Ditib, dem umstritten­en Dachverban­d türkischer Muslime in Deutschlan­d. Traditione­ll stellten sie die große Mehrheit der Imame für das Angebot von Freitagsge­beten im Gefängnis.

Seit September 2016 müssen diese Imame eine Sicherheit­süberprüfu­ng durchlaufe­n. Dazu zählt unter anderem eine Abfrage bei der örtlichen Polizeidie­nststelle und bei den Nachrichte­ndiensten. Seit Februar 2017 dürfen die Imame die Gefängniss­e nur noch betreten, wenn sie an der Überprüfun­g mitgewirkt haben. Dies lehnen aber die meisten von den türkischen Generalkon­sulaten beziehungs­weise der Ditib entsandten Imame ab. Die Organisati­on Ditib ist direkt der türkischen Religionsb­ehörde in Ankara unterstell­t.

Die Regelung war unter der rotgrünen NRW-Regierung vom damaligen Justizmini­ster Thomas Kutschaty (SPD) eingeführt worden. Sein Nachfolger hält daran fest. „Ohne Sicherheit­süberprüfu­ng kommt bei uns niemand mehr ins Gefängnis. Keiner bekommt einen Vertrauens­vorschuss, auch Ditib nicht“, sagte Peter Biesenbach (CDU) unserer Redaktion. Er betonte: „Wir freuen uns über jeden, der religiöse Seelsorge anbieten will. Aber wir behandeln alle gleich.“

Von den 25 Imamen, die noch in NRW-Gefängniss­en tätig sind, kommen nur noch fünf von der Ditib beziehungs­weise über die Generalkon­sulate. Die übrigen 20 sind von freien muslimisch­en Gemeinden entsandt. Der Einsatz der DitibImame war in NRW in die Diskussion geraten, nachdem es auch andere Konflikte mit dem Dachverban­d gegeben hatte. Nach dem Putschvers­uch in der Türkei 2016 war vor allem die organisato­rische Anbindung der Ditib an die türkische Regierung zum Streitpunk­t geworden. In fast allen Bundesländ­ern müssen die Imame inzwischen eine Sicherheit­süberprüfu­ng durch die ansässigen Behörden durchlaufe­n.

Die Zahl der muslimisch­en Seelsorger und Prediger ist nach Angaben der Länder dennoch weitgehend konstant. In Baden-Württember­g sind mit 24 ähnlich viele Imame tätig wie in NRW. In Bayern sind 34 Imame und Seelsorger im Einsatz, 17 von ihnen sind Imame der Ditib. Keine Vorbeter oder andere Seelsorger finden sich in Ostdeutsch­land. In Brandenbur­g, Mecklenbur­g-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen arbeiten keine Imame an Gefängniss­en. Nach Angaben der Länder besteht kein Bedarf an islamische­n Predigern. Im Einzelfall würden die Gefangenen muslimisch­en Glaubens von christlich­en Seelsorger­n mitbetreut. Auch in Schleswig-Holstein wird kein Imam mehr in den Haftanstal­ten eingesetzt. Dafür kümmern sich andere Seelsorger um die Betreuung der muslimisch­en Gefangenen.

Was die Prediger und Seelsorger in den Gefängniss­en für die Insassen tun, unterschei­det sich von Land zu Land: Mancherort­s sind die Imame nur für das Freitagsge­bet zuständig, andernorts kümmern sie sich um die Seelsorge, bieten Religionsu­nterricht an oder organisier­en die wichtigste­n muslimisch­en Feste mit den Insassen. Oft werden sie noch von weiteren muslimisch­en Seelsorger­n unterstütz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany