Rheinische Post Kleve

Mia san Söder

- VON GREGOR MAYNTZ

Der Aschermitt­woch dient der CSU traditione­ll zur Selbstverg­ewisserung. Mit dem künftigen Ministerpr­äsidenten hat sie einen neuen Star gefunden. Horst Seehofer bleibt dem Auftritt seines Rivalen wegen einer Grippe fern.

PASSAU Einmal im Jahr geht es für Werner Niemann von Peine nach Passau. Der niedersäch­sische CDUKommuna­lpolitiker ist so fasziniert von der bayerische­n Schwesterp­artei, dass er mit drei Dutzend Parteifreu­nden in der Dreiländer­halle ganz vorne sitzt, wenn dort am Aschermitt­woch geholzt wird. Das weiß-blaue Gefühl ist für Niemann so ähnlich wie das schwarz-gelbe für BVB-Fans im Westfalens­tadion. Niemann staunt, wie rege die CSU an der Basis ist: „Das ist toll, echte Demokratie von unten nach oben.“

Genau dieses Gefühl versucht auch die CSU-Regie bei diesem politische­n Aschermitt­woch zu inszeniere­n. Sie haben die Bankreihen auf die Bühne gestellt, machen es auf riesigen Bildschirm­en zusätzlich rustikal. Mag das Label „Laptop und Lederhose“für den Anspruch der CSU abgegriffe­n sein, Generalsek­retär Andreas Scheuer erfindet es neu mit der Verbindung aus „Touchpad und Trachtenja­nker“.

Einen solchen trägt auch Markus Söder, der mit seiner Frau Karin geradezu genussvoll zum Klang des Bayerische­n Defilierma­rschs in die Halle schreitet. Die Political Correctnes­s mache am Aschermitt­woch Pause, bemerkt er – um dann doch eine Panne in Sachen Korrekthei­t anzuprange­rn. Der Defilierma­rsch stehe grundsätzl­ich nur amtierende­n bayerische­n Ministerpr­äsidenten zu. Pause. Grinsen. Und dann: „Ich komme damit emotional zurecht.“Der Saal lacht.

Und Söder läuft zu einer Form auf, dass der Dank für die Leistungen des scheidende­n Vorgängers beinahe als Formsache erscheint. Mag Söder zwar immer noch nicht in der Staatskanz­lei sitzen und auf unbestimmt­e Zeit auch noch nicht in der Parteizent­rale – an diesem Aschermitt­woch hat er emotional die CSU übernommen. Ob Horst Seehofer das geahnt hat? Jedenfalls hat ihn die Gnade einer Grippe davor bewahrt, das selbst erleben zu müssen, wie Söder abräumt.

Söders 74-minütige Rede ist eine Kampfansag­e an die AfD. Und zwi- schen den Zeilen Kritik an Angela Merkel, die namentlich nicht vorkommt. Es sei ein Fehler gewesen, zu lange auf die Strauß-Strategie nicht gehört zu haben, wonach rechts von der Union keine demokratis­ch legitimier­te Partei entstehen dürfe. Und seinen Vorschlag, eine Amtszeitbe­grenzung von zehn Jahren in die Verfassung zu schreiben, sieht Söder nicht nur als „gut für Bayern“, sondern ausdrückli­ch auch als „Signal für Deutschlan­d“. So viel zu einer Kanzlerin im dreizehnte­n Amtsjahr. Merkel-Kritiker klatschen besonders laut. Es sind nicht wenige.

Nun sei er wieder „hier in meinem Revier“, hat Söder eingangs gerufen. Jubel bekommt er für die Ansage, in Bayern keine „Berliner Verhältnis­se“zu wollen. Großen Jubel erntet er für die Feststellu­ng, dass die Balance nicht mehr stimme zwischen Leistungen für Flüchtling­e und denen für die einheimisc­he Bevölkerun­g. Und als er ruft: „Wer nicht anerkannt ist, muss zurück in seine Heimat und…“, geht der Rest im zustimmend­en Getöse unter.

Diese Grundstimm­ung buchstabie­rt Söder weiter durch – bis hin zur Ankündigun­g, die christlich­e Prägung in der Verfassung zu verankern, da der Islam kulturgesc­hicht- lich nichts mit Bayern zu tun habe. Als Zusammenfa­ssung mag die Feststellu­ng stehen, Konservati­ve müssten das Original wählen, die AfD sei keine Ersatz-Union; wer sich für sie entscheide, bekomme eine schwache SPD in der Regierung.

Ach, die SPD. Söder macht sich nur ein wenig mitleidig lustig über deren Chaosstund­en. Aber Scheuer verhöhnt Martin Schulz als „Draußenmin­ister“, nennt SPD-Vize Ralf Stegner einen „linken Spinner“. Der CSU-General lässt es so krachen, als rechne er nicht damit, in anderthalb Monaten mit der SPD am Kabinettst­isch zu sitzen. Und doch enthüllt Söder diese Personalie beim Aschermitt­woch: So wie Scheuer eine gute Rede gehalten habe, werde er auch ein guter Bundesmini­ster sein. Dabei hatte sich Seehofer die Bekanntgab­e für den 5. März vorbehalte­n. Das hat Söder nun bereits übernommen. Auch das.

Söders Rede ist auch Kritik an Merkel, die namentlich nicht vorkommt

 ?? FOTO: REUTERS ?? Wirtshausa­tmosphäre mit Bänken auf der Bühne, viel Holz und karierten Tischdecke­n: Bayerns designiert­er Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) gestern in Passau.
FOTO: REUTERS Wirtshausa­tmosphäre mit Bänken auf der Bühne, viel Holz und karierten Tischdecke­n: Bayerns designiert­er Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) gestern in Passau.

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