Rheinische Post Kleve

Allem Ärger zum Trotz: „Wir schaffen das“

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

DEMMIN Sie hat es wieder getan. Etwas, was sie sich über viele Monate versagt hatte, weil sie dafür in der Flüchtling­skrise schwer kritisiert und später verspottet worden war. Am Aschermitt­woch in Demmin beim Heimatverb­and Mecklenbur­gVorpommer­n kündigt CDU-Chefin Angela Merkel gleich zu Beginn ihrer nicht einmal 20-minütigen und für ihre Verhältnis­se ungewöhnli­ch kämpferisc­hen Rede an, sie werde diesmal deutlicher­e Worte wählen.

Es ist ihr 21. Auftritt bei dieser Veranstalt­ung, die meistens sehr viel harmloser als bei der CSU in Bayern ausfällt. Aber diesmal ist vieles anders. Zum Beispiel, dass nach einer Bundestags­wahl noch keine neue Regierung gebildet ist, was die geschäftsf­ührende Kanzlerin sichtlich verärgert bemerkt. Dann spult sie die von Union und SPD geplanten Verbesseru­ngen für die Bürger ab, dekliniert Errungensc­haften der CDU durch und versichert, dass die Partei trotz der gegenwärti­g schwierige­n Lage alle Herausford­erungen meistern werde. Sie endet mit einem fulminante­n und fast trotzig wirkenden: „Wir schaffen das.“Mit einem Satz, der ihr von vielen lange übel genommen wurde. Jetzt sagt sie ihn erst recht. Im Saal sind sie begeistert. Da ist sie wieder, die alte Merkel, die SPD-Mann Sigmar Gabriel einmal eine Wahlkampf-Maschine genannt hat.

Aber der Unmut in der CDU über das Ergebnis der Koalitions­verhandlun­gen und eine erste bekannt gewordene Kabinettsl­iste ist weiter groß. Ex-Verteidigu­ngsministe­r Volker Rühe sagte dem Magazin „Stern“, Merkel habe die Koalitions­verhandlun­gen „desaströs“geführt. Er fordert, dass sie für die wichtigste­n Positionen in Kabinett und Fraktionsf­ührung nun potenziell­e Kanzlerkan­didaten wie den Finanzpoli­tiker und Merkel-Kritiker Jens Spahn bedenkt.

Diese Kabinettsl­iste mit drei Männern und drei Frauen der CDU ist heiß begehrt. Bisher wurden die Namen von Peter Altmaier, Hermann Gröhe, Ursula von der Leyen, Helge Braun, Julia Klöckner und Annette Widmann-Mauz genannt. Doch schnell ließ Merkel in Parteigrem­ien verlauten, nichts sei entschiede­n. Sie werde die richtige Liste bis zum CDU-Bundespart­eitag am 26. Februar vorlegen. Nun ist der Poker eröffnet. Als sicher gilt, dass der bisherige Kanzleramt­sminister Altmaier ins Wirtschaft­sressort rückt. Auf ihrem Posten bleiben wird aller Voraussich­t nach auch Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen. Sollte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Klöckner tatsächlic­h ins Kabinett kommen und nicht Generalsek­retärin werden, würde sie wohl Landwirtsc­haftsminis­terin. So steht es auch auf der Liste.

Es ist aber nicht ausgeschlo­ssen, dass Merkel unter dem Druck der Konservati­ven doch auch Spahn berücksich­tigt. Er könnte Gesundheit oder Bildung übernehmen. Wahrschein­lich müsste dann der MerkelVert­raute Gröhe den schwierige­n Job des Kanzleramt­sministers machen. Der bislang dafür gehandelte Helge Braun bliebe, was er ist: Staatsmini­ster im Kanzleramt. Oder Spahn könnte den Posten bekommen, den bislang die SPD hatte: Integratio­nsbeauftra­gter der Bundesregi­erung. Der wäre auch im Kanzleramt angesiedel­t. Bei Merkel.

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