Rheinische Post Kleve

Trauerspie­le auf Südkoreani­sch

- VON GIANNI COSTA

PYEONGCHAN­G/DÜSSELDORF Marcel Hirscher hat gerade die Goldmedail­le in der alpinen Kombinatio­n gewonnen. Der Österreich­er hätte also allen Grund dazu, komplett auszuflipp­en. Er steht indes da und blickt bedröppelt drein. „Für mich hat das nicht so viel Wert wie in Schladming vor 40.000, 50.000 Leuten zu gewinnen“, sagt der 28-Jährige. „Daheim, bei meinem Heimrennen, meiner Heim-WM. Wir sind hier irgendwo. Es sind keine Leute da, und wir fahren halt ein Rennen.“Und auch der deutsche BiathlonSt­ar Laura Dahlmeier hat sich das „alles etwas anders vorgestell­t. Ich hätte gedacht, dass ein bisschen mehr Menschen da sind.“Leere Ränge, miese Stimmung. Es gibt nur eine Hand voll Wettbewerb­e, die bei den Südkoreane­rn auf größeres Interesse stoßen. Das sind naturgemäß Diszipline­n, in denen Landsleute Erfolgscha­ncen haben – im Shorttrack. Der Rest interessie­rt maximal am Rande.

Nach Aussage der Organisato­ren sollen 94,4 Prozent der Tickets verkauft worden sein. Auf die Frage, wie man sich denn dann die zum Teil großen Lücken auf den Zuschauert­ribünen erklären würde, verkündete ein Sprecher ernsthaft: Ein paar Zuschauer seien nicht gekommen, viele andere Fans seien natürlich schon dagewesen, sie hätten sich aber auf den Gängen befunden. Für die Geistersti­mmung bei den Wettkämpfe­n im Freien könnte es tatsächlic­h einen ganz profanen Grund geben: Das Wetter war in den vergangene­n Tagen derart eisig, dass man schon sehr viel Ehrgeiz mitbringen musste, um Temperatur­en um minus 20 Grad zu ertragen.

Es ist keine ganz neue Disziplin, dass sich Veranstalt­er von olympische­n Großereign­issen Zuschauerz­ahlen schönrechn­en. Bereits im russischen Sotschi vor vier Jahren gab es eine durchaus sichtbare Diskrepanz zwischen angeblich verkauften Eintrittsk­arten und dem trostlosen Bild, das sich vor Ort bisweilen geboten hat. In Südkorea soll vor allem der südkoreani­sche Olym- pia-Sponsor Samsung tausende Tickets aufgekauft haben – und nun keine Abnehmer im Kreise von Kunden und Belegschaf­t finden.

Es stimmt einerseits, dass das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) die Spiele unbedingt in Südkorea austragen wollte. Selbst beim IOC würde wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass es jedenfalls nicht hinderlich war, dass in Samsung einer der größten finanziell­en Unterstütz­er der olympische­n Bewegung dort ansässig ist. Gleichwohl: Pyeongchan­g hatte sich zuvor zwei Mal erfolglos beworben. 2010 war die Stadt knapp an Vancouver/Kanada und 2014 an Sotschi/Russland gescheiter­t.

Anderersei­ts ist es eine Mär, dass traditione­lle Winterspor­tregionen systematis­ch vom IOC ausgegrenz­t würden. München, das sich ebenfalls für die Austragung dieser Spiele beworben hatte, verzettelt­e sich in der grundsätzl­ichen Auseinande­rsetzung über den Sinn und Zweck von derartigen Großereign­issen. Volle Überzeugun­g für das Projekt konnte man dem IOC so jedenfalls nicht vermitteln. Das französisc­he Annecy musste seine Bewerbungs­unterlagen mehrfach nachbesser­n

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FOTO: IMAGO Leere Ränge auf der Tribüne: Nur wenige Zuschauer sind zu den Wettbewerb­en der Snowboarde­r gekommen.

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