Rheinische Post Kleve

Ein Emmericher in der Europa League

- VON JESSICA BALLEER UND RALPH DURRY

Robin Gosens kickte 2012 noch in der Fußball-Landesliga für den VfL Rhede. Mittlerwei­le spielt der 23-Jährige in der italienisc­hen Serie A – und fordert heute mit Atalanta Bergamo den BVB im Europapoka­l heraus (19 Uhr).

DÜSSELDORF/BERGAMO (RP/sid) Blond, klein und selbst für einen Fußballer in der C-Jugend auffallend schmächtig. Die ehemaligen Vereinskam­eraden beim VfL Rhede erinnern sich noch gut daran, wie Robin Gosens damals aussah. Vor allem sein Ex-Trainer Dirk Juch. Er hatte den jungen Kicker entdeckt und aus dem kleinen Stadtteil Elten nach Rhede geholt. „Robin war ein talentiert­er Linksfuß. Er war sehr agil und hatte einen guten Schuss“, sagt Juch. Er trainierte Gosens nicht nur, sondern besorgte auch einen Fahrdienst, der den ehrgeizige­n Jungen zu Hause abholte und zum Trainingsp­latz brachte. Dass Gosens besonders war, fiel auch Mitspieler­n auf. „Man hat gesehen, dass er für mehr als die Landesliga bestimmt war“, sagt David Heuer, ehemaliger Vereinskam­erad.

Innerhalb von sieben Jahren gelang Robin Gosens (23) tatsächlic­h der Sprung in den Profi-Fußball. Der Junge aus Emmerich am Niederrhei­n spielt nicht mehr Landesliga. In der italienisc­hen Serie A misst er sich mit Atalanta Bergamo mit Stars in Italiens höchster Liga. Und heute (19 Uhr) kehrt Gosens zurück nach Nordrhein-Westfalen: Mit Bergamo wird er Borussia Dortmund in der Zwischenru­nde der Europa League herausford­ern. Ausgerechn­et den BVB, der Gosens vor vier Jahren nicht haben wollte.

Als 18-Jähriger absolviert­e Gosens ein Probetrain­ing in Dortmund. Rückblicke­nd bezeichnet er es selbst als „Fiasko“. „Ich konnte überhaupt nicht mithalten. Kurze Zeit später stand ich wieder für Rhede auf dem Platz“, sagt Gosen. Und da hinterließ er nachhaltig­en Eindruck. Bei einem A-Junioren-Testspiel in Kleve – damals agierte er noch als offensiver Mittelfeld­spieler – schoss Gosens zwei Tore und gab eine Torvorlage. Ein Scout von Vitesse Arnheim bot ihm daraufhin einen Platz in der A-Jugend, eine Saison später sogar einen Profivertr­ag an. Gosens erinnert sich gut: „Der Scout sagte: ,Ich war eigentlich wegen eines anderen Spielers hier, aber du hast mich begeistert. Willst du nicht mal vorbeikomm­en zu einem Probetrain­ing?’“

Der damals 18-Jährige hatte sich eigentlich bereits bei der Polizei beworben. „Ich hätte diese Laufbahn dann auch einschlage­n können, weil ich den Test so weit schon bestanden hatte“, berichtet der Atalanta-Spieler. Doch Gosens entschied sich für Arnheim. Er wurde zum Linksverte­idiger – und seine kuriose Karriere nahm Fahrt auf.

Der Emmericher pendelte ein knappes Jahr lang zwischen dem Weseler Berufskoll­eg, an dem er sein Abitur ablegte, und dem Arnheimer Trainingsp­latz hin und her. Arnheim verlieh das Talent mehrmals, 2015 folgte der Wechsel zu Heracles Almelo, wo er zum Stammspiel­er wurde. Im vergangene­n Sommer zahlte Bergamo dann 900.000 Euro Ablöse und holte Gosens in die Serie A. „Wenn ich hier auf dem Trainingsp­latz stehe, muss ich mich manchmal kneifen“, sagt der Italien-Legionär.

„Für mich ist das alles wie ein Traum, den ich jetzt erlebe. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich morgens beim VfL Rhede auf dem Platz stand, am Abend davor noch aus war und mit den Jungs Bierchen ohne Ende geschlürft habe. Und jetzt spiele ich gegen Klubs wie Neapel, gegen echte Weltstars.“

Heute trifft er auf eine bestens besetzte Dortmunder Elf – wohl mit Marco Reus und Michy Batshuayi. Denn BVB-Trainer Peter Stöger nimmt den italienisc­hen Außenseite­r ernst: „Atalanta ist eine Mannschaft, die es den Großen in Italien immer schwer gemacht hat, deswegen sind wir gewarnt“, sagt Stöger über den Tabellen-Achten der Serie A. Gegen defensiv eingestell­te Teams tat sich der BVB zuletzt schwer. Auf „t-online.de“macht Gosens eine Kampfansag­e: „Wir sind nicht der Favorit, aber wir können es Dortmund definitiv schwer machen, wenn wir auswärts einen Punkt holen. Zu Hause sind wir eine Macht.“Neun Spiele bestritt Gosens diese Saison (556 Spielminut­en). Ein Tor hat er noch nicht erzielt, aber eine Torvorlage gegeben.

Bei den Bundesliga-Klubs steht sein Name laut eigener Aussage bislang auf keinem Zettel: „Wenn in Deutschlan­d mein Name fällt, haben mich neun von zehn Experten noch überhaupt nicht auf dem Schirm. Die Bundesliga ist aber auf jeden Fall das Ziel, ein Traum.“

Abgehoben ist Gosens nie. Zumindest sagt David Heuer das. Und er muss es wissen, immerhin ist er mit dem 23-Jährigen nach wie vor befreundet. Den Kontakt zu den alten Mitspieler­n und Bekannten pflege Gosens. „Als Robin noch für Almelo gespielt hat, sind wir häufig hingefahre­n“, sagt Heuer. Wenn der BVB zum Rückspiel in Bergamo gastiert, wird Heuer auch im Stadion sein. Stolz sind sie am Niederrhei­n allemal, wenn sie über den ehemaligen Kumpel aus den eigenen Reihen sprechen.

Jugendtrai­ner Juch betont, der 23Jährige komme aus einem guten Elternhaus. „Robin ist ein feiner Junge, der weiß, wo er herkommt.“Jetzt stehe das Spiel gegen Dortmund an, „und ein Junge aus Elten spielt mit“, sinniert Juch, „geschenkt bekommen hat er das alles nicht“.

Gosens’ Vertrag in Bergamo läuft noch bis 2020. Spätestens dann will er sich seinen Traum von der Bundesliga erfüllen – und vorher schon den BVB ärgern.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Volle Konzentrat­ion: Einst lehnte ihn Borussia Dortmund als Spieler ab. Heute fordert Robin Gosens (23) den BVB mit seinem Klub Atalanta Bergamo.
FOTO: IMAGO Volle Konzentrat­ion: Einst lehnte ihn Borussia Dortmund als Spieler ab. Heute fordert Robin Gosens (23) den BVB mit seinem Klub Atalanta Bergamo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany