Gesuchter 18-Jähriger stellt sich
Mit einem Foto war nach dem jungen Mann gefahndet worden. Gemeinsam mit anderen Männern soll er mehrere Schülerinnen vergewaltigt haben. Bei Taten wie diesen ginge es um Macht und Überlegenheit, so eine Pädagogin.
ESSEN/GELSENKIRCHEN Im Fall der mutmaßlichen Vergewaltigung mehrerer Schülerinnen im Ruhrgebiet von einer Gruppe junger Männer hat sich der gesuchte 18-Jährige den Behörden gestellt. Der mit einem Fahndungsfoto Gesuchte sei in einer Polizeiwache erschienen, sagte ein Polizeisprecher gestern Abend. Er soll noch heute dem Haftrichter vorgeführt werden.
Als die Essener Polizei am 17. Januar einen jungen Mann festnimmt, der mit drei weiteren Beteiligten eine Jugendliche vergewaltigt haben soll, wird erst nach und nach die Dimension des Falls klar – und das abgebrühte Vorgehen der mutmaßlichen Täter. Der 19Jährige aus Gelsenkirchen hatte dem 16 Jahre alten Mädchen, das die Gruppe am Abend zuvor auf einem Feld vergewaltigt haben soll, seine Handynummer gegeben. Für den Fall, dass man sich noch einmal treffen wolle. Das Mädchen ging damit am nächsten Tag zur Polizei und erstattete Anzeige. Die Ermittler nahmen den Mann fest, stellten sein Handy sicher und durchsuchten seine Wohnung. Beim Lesen der Chats stellten sie fest, dass die 16Jährige nicht das einzige Opfer der Bande ist.
Nachdem Staatsanwaltschaft und Polizei am Mittwoch die Öffentlichkeit über die Gruppenvergewaltigungen informiert haben – die Rede ist von mindestens sechs Fällen –, begann die Fahndung nach einem der mutmaßlichen Täter. Der 18-Jährige, der sich nun gestern gestellt hat, soll die Mädchen zunächst angelockt haben. Je drei weitere Männer kamen dazu, man fuhr mit dem Auto durch die Gegend, die Täter nahmen dem Mädchen das Handy ab und zwangen es zum Sex. Dann brachten sie ihr Opfer nach Hause. „Soweit wir wissen, stammen alle Opfer aus dem Bekanntenkreis der Täter“, so ein Sprecher der Essener Polizei.
Laut Ursula Enders, Leiterin und Gründerin des Kölner Vereins Zartbitter e.V., der sich um Opfer sexuel-
Ursula Enders ler Gewalt kümmert, ist die Tat der Männer nicht zu erklären. „Es handelt sich um völlig empathieloses Verhalten, es mangelt solchen Tätern an jeglichem Einfühlungsvermögen“, so die Diplompädagogin. Wie bei jedem sexuellen Übergriff gehe es vermutlich auch bei den Taten in Essen und Gelsenkirchen um Machtdelikte. Durch Gruppenvergewaltigungen bestätigten sich jugendliche Täter gegenseitig in dem Gefühl der Überlegenheit. „Das Ganze wird dann als Scherz vor sich selbst und anderen bagatellisiert“, erklärt Enders.
Drei 16-Jährige sind als Opfer bekannt, weil sie Anzeige erstattet haben. Am 30. Januar konnte die Polizei zwei weitere Beschuldigte festnehmen. Sie sind 19 und 23 Jahre alt, gegen einen 16-Jährigen wird ebenfalls ermittelt.
Wenn sich bestätigt, wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht, haben die Männer sich in immer kürzeren Abständen Opfer gesucht. Am 16. Januar kam es zu der Vergewaltigung, die eine 16-Jährige zur Anzeige brachte. Als ihr Kumpel am 17. festgenommen wurde, sollen die anderen Männer wieder losgezogen sein, um ein Mädchen zu vergewaltigen. „Wir wissen noch nicht, ob es diese Tat wirklich gegeben hat oder ob sie nur geplant war“, sagt die Sprecherin. Ein Opfer hat sich bisher nicht gemeldet. Fest steht, dass es im Dezember eine Vergewaltigung in Gelsenkirchen gegeben hat: Diese Tat wurde ebenfalls von einer 16-Jährigen angezeigt. Zudem wurde eine versuchte Vergewaltigung im Januar angezeigt. Und auch im November könnte es schon zu einem Übergriff gekommen sein, wie sich aus den Chatprotokollen der Beschuldigten entnehmen lässt. Die Polizei bittet weitere mögliche Opfer, sich zu melden.
Für die Polizei gab es keine Möglichkeit, früher an die Öffentlichkeit zu gehen: Es lag die Anzeige aus Gelsenkirchen vor und erst, als die zweite Tat im Januar in Essen angezeigt wurde, schlossen die Ermittler, dass es einen Zusammenhang geben könnte, weil sich die Vorgehensweise der Täter ähnelte.
Verhindern ließen sich solche Taten nicht in jedem Fall, so Enders. Nur Prävention könne etwas bewirken. „Täter, die so perfide und geplant vorgehen, sind fast immer schon früher in Bezug auf sexuelle Gewalt auffällig geworden“, sagt sie. An diesem Punkt hätte eingegriffen werden müssen. Die Pädagogin appelliert an Gerichte, straffällig gewordene Jugendliche nicht wegzusperren, sondern sie in stationäre Therapien zu geben.
„Das Ganze wird als Scherz vor sich selbst und anderen bagatellisiert“
Diplompädagogin
Für die Polizei gab es keine Möglichkeit,
früher an die Öffentlichkeit
zu gehen