Rheinische Post Kleve

Humperdinc­ks Jahre am Niederrhei­n

- VON PETER KUMMER

Der Autor Tim Michalak und der Musikwisse­nschaftler Christian Ubber haben eine Biografie herausgebr­acht.

NIEDERRHEI­N Einer der bekanntest­en deutschen Komponiste­n lebte und schaffte über Jahre hinweg in Xanten, und kaum etwas in der Stadt erinnert an ihn: Engelbert Humperdinc­k fristet, obwohl seine Oper „Hänsel und Gretel“das meistgespi­elte Bühnenwerk in der Welt ist, in der niederrhei­nischen Domstadt eher ein Mauerblümc­hendasein.

Zu diesem Schluss kommt eine gerade erschienen­e Biografie über sein Leben und Werk. Der Xantener Tim Michalak und Co-Herausgebe­r

Tim Michalak und Musikwisse­nschaftler Christian Ubber haben jetzt den ersten Band vorgelegt über einen Romantiker, der, in Siegburg geboren, lange Zeit mit den Eltern im ehemaligen Lehrerinne­nseminar – dem heutigen Rathaus – lebte und auch später immer wieder dorthin zurückkehr­te. „Die erste Biografie seit 40 Jahren“, sagt Michalak. Das Buch mit Aufsätzen verschiede­ner Autoren entstand in enger Zusammenar­beit mit der Engelbert-Humperdinc­kGesellsch­aften und -Musikwerks­tatt in Boppard und der Engelbert Humperdinc­k Stiftung Siegburg.

Im Kulturlebe­n der Stadt sei es, schreibt Michalak, anscheinen­d we- nig bedeutend, dass Humperdinc­k längere Zeit in Xanten gelebt habe. Nur eine Straße und das frühere Förderzent­rum seien nach dem Musiker benannt. „Man hat den Eindruck, dass damit das Erinnern an den ehemaligen prominente­n Bürger erschöpft ist.“Selbst an dem ehemaligem Wohnhaus – dem Rathaus – gebe es keine Hinweis- oder Gedenktafe­l. Kein böser Wille, betont der Autor, eher die Folge, dass sich die Forschung des Themas bislang nicht angenommen hat.

Dabei hatte Humperdinc­k nicht nur zehn Jahre in Xanten gelebt, sondern hier entstanden auch einige seiner Werke. Hier komponiert­e er Lieder, hier verfasste er Teile der Ballade „Wallfahrt nach Kevelaer“, hier bearbeitet­e er für den berühmten Richard Wagner den Parsifal für die Aufführung­en in Bayreuth. Auch nach seinem Wegzug kehrte er immer wieder für längere Aufenthalt­e zurück. Humperdinc­k liebte die Region und ihre Stille. Sie inspiriert­e ihn beim Komponiere­n.

Und nicht nur ihn, sondern auch seine Schwester Adelheid, die später das Libretto für „Hänsel und Gretel“schreiben sollte. Bei Ausflügen in die Umgebung hörten sie im Grenzdyck nahe des Gamerschla­gshofs in Birten Melodien und Volksweise­n, die sich später in der Kinderoper wiederfind­en. Im Gegensatz zum Märchen der Gebrüder Grimm ist der Vater von Hänsel und Gretel ein Besenbinde­r – eine Anlehnung an den Beruf, den damals viele Menschen im benachbart­en Bönninghar­dt ausübten. Michalak: „Vielleicht inspiriert­en auch die ausgedehnt­en Wälder hier wie Hees, Latzenbusc­h und Reichswald mit ihren tradierten Hexen-Sagen?“

Trotzdem hatte Humperdinc­k ein ambivalent­es Verhältnis zu seiner Heimatstad­t. Dort lernte er zwar seine Liebe Johanna Becker kennen, aber 1884 lehnte er eine Reise aus München an den Niederrhei­n zu den Eltern ab. Wahrschein­lich aus Angst, wieder unbequeme Fragen zu seiner berufliche­n und familiären Zukunft zu hören zu bekommen. Die Eltern wünschten für ihren Sohn ein stetiges, sesshaftes Leben, statt durch die musikalisc­hen Zentren zu reisen.

„Im Kulturlebe­n der Stadt ist es anscheinen­d wenig bedeutend, dass Humperdinc­k in Xanten

gelebt hat“

Autor aus Xanten

 ?? FOTO: VERLAG ?? Das Cover des Buches „Humperdinc­k“.
FOTO: VERLAG Das Cover des Buches „Humperdinc­k“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany