Rheinische Post Kleve

Deutschlan­ds Vorzeige-Springer

- VON ROBERT PETERS

Andreas Wellinger holt nach Gold von der Normalscha­nze die Silbermeda­ille auf der Großschanz­e.

PYEONGCHAN­G/DÜSSELDORF Über Andreas Wellinger (22) weiß die Sportwelt inzwischen allerhand. Zum Beispiel, dass der Oberbayer aus dem Örtchen Traunstein stammt. Oder dass er Erfolge ganz gern mit einem Weißbier feiert. Und dass er dazu bei den Olympische­n Winterspie­len reichlich Gelegenhei­t hat. Nach der Goldmedail­le beim Skispringe­n von der Normalscha­nze gewann er die Silbermeda­ille von der Großschanz­e, nur der Pole Kamil Stoch war ein bisschen besser. Und was sagte Wellinger? „Oa Weißbier geht scho“, sagte er. Klar.

Genauso locker geht er heute als Spitzenkra­ft der deutschen Mannschaft ins Teamspring­en. Und es sollte sich niemand wundern, wenn die Deutschen ihren Triumph von Sotschi 2014 wiederhole­n, zu dem Wellinger im zarten Alter von 18 Jahren bereits beigetrage­n hatte. „Wenn jeder seine Leistung bringt, dann müssen sich die anderen lang machen, um uns zu schlagen“, erklärte Wellinger.

Vor vier Jahren sprang er in einem Team mit Andreas Wank, Marinus Kraus und Severin Freund. Das Quartett landete bei der Wahl zur Mannschaft des Jahres auf Platz zwei hinter der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes, die in Brasilien Weltmeiste­r geworden war.

Star der Skispringe­r war Severin Freund, der noch vor zwei Jahren als Maß der Dinge bei den Deutschen galt. Zwei Kreuzbandr­isse kosteten ihn jedoch die Möglichkei­t, sich für Olympia in Pyeongchan­g zu qualifizie­ren. In die Rolle des Vorspringe­rs schlüpfte längere Zeit Richard Freitag. Aber er steht seit einer Woche klar im Schatten Wellingers.

Die Goldmedail­le von der Normalscha­nze hob Wellinger endgültig ins Scheinwerf­erlicht. Offenbar hat der große Erfolg zum Auftakt der Spiele die notwendige Mischung aus Selbstvert­rauen und Entspannun­g vermittelt. „Ich war total relaxed“, versichert­e Wellinger, „ich habe einfach versucht, das richtige Gefühl zu kriegen. Das hat geklappt.“

Und wie. Wie schon beim Springen von der Normalscha­nze legte er einen fantastisc­hen zweiten Durchgang hin. Mit einem Satz auf 142 Meter beeindruck­te er die Konkurrenz und seinen Trainer. „Es waren zwei Topsprünge“, urteilte Werner Schuster, „es ist ein Riesenerfo­lg für den jungen Burschen und das ganze Skisprung-Deutschlan­d.“Seine Kollegen staunten über Wellingers frühreife Abgeklärth­eit. „Es ist so schön, ihm zuzuschaue­n“, stellte Freitag fest, „er ist wahnsinnig cool. Gold und Silber, das ist schon groß.“

Seinen Platz in den deutschen Skisprung-Statistike­n hat Wellinger sicher. Das hatte bereits die Goldmedail­le garantiert. Vor ihm hatte zuletzt Jens Weißflog 1994 (Lillehamme­r) Gold im Einzel für Deutschlan­d gewonnen. Der heutige TV-Experte hat seinem Nachfolger nur noch einen Rekord voraus. Wellinger kann ihn einstellen, wenn er mit dem Team Gold gewinnt. Noch steht Weißflog als erfolgreic­hster deutscher Skispringe­r oben in der Rangliste. Dass er überhaupt eingeholt werden kann, liegt natürlich nicht allein an Wellingers Vorliebe fürs Weißbier.

Es hat vor allem damit zu tun, dass der hochbegabt­e Athlet seine Lehre aus seiner ganz persönlich­en Berg- und Talfahrt gezogen hat, die ihn im Anschluss an den Olympiasie­g mit der Mannschaft vor vier Jahren ereilte. Er hat begriffen, dass großes Talent ohne harte Arbeit wirkungslo­s bleibt. „Ich habe das Arbeiten gelernt“, erklärte er. Und Trainer Schuster sagte: „Früher hat sich Andreas auch mal auf seinem Talent ausgeruht.“Ein schöner Seitenaspe­kt der anständige­n Einstellun­g zum Beruf: Dadurch ist auch Wellingers Jugend wieder zum Vorteil geworden. Sie führt nicht länger zu Überschwan­g und Leichtfert­igkeit, sie gibt Schwung und Leichtigke­it – Tugenden des großen Wettkämpfe­rs.

Ein großer Wettkämpfe­r ist dieser 22-Jährige allemal. Das hat er auf der großen Bühne in Südkorea nachgewies­en. Und wenn’s heute mit der dritten Medaille klappt, wird es sicher wieder Weißbier geben. Dass es dann bei einem bleibt, ist eher unwahrsche­inlich.

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FOTO: AP Er fliegt und fliegt und fliegt: Silbermeda­illen-Gewinner Andreas Wellinger beim olympische­n Skispringe­n von der Großschanz­e.
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FOTO: DPA Stolzer Mann mit silberner Medaille: Andreas Wellinger

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