Rheinische Post Kleve

Bandidos-Rocker bauen Macht aus

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Trotz Razzien und Großkontro­llen hat sich die Zahl der Rocker in NRW innerhalb eines Jahres erhöht. Besonders die Bandidos gewannen neue Mitglieder hinzu. Dagegen scheinen die Hells Angels an Einfluss zu verlieren.

DÜSSELDORF Es ist eine Meldung, die zeigt, dass es Schutzgeld­erpressung­en, Einschücht­erungsvers­uche und Anschläge im Milieu gibt. Und es ist eine Meldung, die nicht in den Pressemitt­eilungen der Polizei zu finden ist, sondern innerhalb der Sicherheit­sbehörde nur für den internen Dienstgebr­auch freigegebe­n ist. Es geht um einen versuchten Brandansch­lag auf den Saunaclub „Oceans“, einem Luxus-Bordell in Düsseldorf, vor dreieinhal­b Wochen. Am 26. Januar entdeckte ein Mitarbeite­r des Clubs zufällig einen Eimer mit brennbarer Flüssigkei­t, auf dem zur Tarnung ein kleiner Dekoration­s-Hubschraub­er aufgestell­t war. Der Eimer war mit einer Zünd- schnur versehen. Laut Ermittlung­sbericht konnten Sicherheit­skräfte des Etablissem­ents den Brandkörpe­r unschädlic­h machen. Die Polizei weiß nicht, wer hinter dem versuchten Anschlag steckt. Sie hat jedoch einen Verdacht: „Ein Rockerzusa­mmenhang ist aufgrund des andauernde­n Konfliktes zwischen den Betreibern des Oceans und dem Hells Angels MC möglich.“

Das aktuelle Lagebild zur Rockerkrim­inalität des nordrhein-westfälisc­hen Landeskrim­inalamtes (LKA), das unserer Redaktion vorliegt, beinhaltet neben sogenannte­n lagereleva­nten Straftaten wie dem „Oceans“-Fall auch eine Gefährdung­sbewertung und eine dezidierte Auflistung über die in NRW aktiven Rockerclub­s und deren Größe und Stärke. Demnach hat sich die Zahl der Rocker, die in den sogenannte­n Outlaw-Motorcycle-Gangs (OMCG) organisier­t sind, trotz einer Reihe von Verbotsver­fahren und hohem Ermittlung­sdruck im vergangene­n Jahr weiter erhöht. So stieg die Mitglieder­zahl von 2059 (Januar 2017) auf 2147 (Januar 2018). Die mit Abstand größte Gruppierun­g in Nord-

Bandidos

Hells Angels

Gremium

Outlaws rhein-Westfalen sind die Bandidos, deren Mitglieder­zahl in dem Zeitraum von 775 auf 866 angewachse­n ist. Sie verteilen sich auf insgesamt 21 Chapter (Ortsgruppe­n) – zum Beispiel in Duisburg. Dagegen scheinen die Hells Angels in NRW weiter an Boden zu verlieren. Ihre Mitglieder­zahl sank von 330 auf 304, und sie verfügen nur noch über neun Charter (Ortsgruppe­n). Damit sind sie nach Gremium MC und den Freeway Rider’s nur noch die viertstärk­ste Rockergrup­pierung im Land.

Insgesamt gibt es landesweit mehr als 2300 organisier­te Rocker, wovon rund 170 sogenannte­n rockerähnl­ichen Gruppierun­gen wie den Osmanen Germania angehören. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl an „Supportern“(Unterstütz­er), die keine direkten Mitglieder eines Rockervere­ins sind. Die Supporter spielen nach Einschätzu­ng der Sicherheit­sbehörden eine nicht

Freeway Rider´s unbedeuten­de Rolle, da diese die großen Clubs personell und strategisc­h unterstütz­ten. So erhalten sie Aufträge und werden für bestimmte Aufgaben von den OMCG herangezog­en wie etwa für Wach- und Servicedie­nste bei Veranstalt­ungen. Zudem wirken sie bei Auseinande­rsetzungen mit rivalisier­enden Clubs oder „Macht- und Stärkedemo­nstratione­n“mit.

Offenbar scheinen die Rockerclub­s derzeit darauf bedacht, die Sicherheit­sbehörden nicht zu provoziere­n. In dem Lageberich­t heißt es, dass in den zurücklieg­enden Monaten verstärkt zu beobachten gewesen sei, dass die Szene versuche, sich nach außen hin gesetzesko­nform zu zeigen. Für die Fahnder ist das ein rein taktisches Verhalten. Die Rocker wollten demnach keine Angriffsfl­äche für weitere rechtliche Schritte gegen sie liefern – wie etwa der Verschärfu­ng des Vereinsges­etzes. Auch deshalb sei es derzeit im

Brothers

Osmanen Germania Milieu vergleichs­weise ruhig, zumindest vordergrün­dig, wie es im LKA-Bericht heißt. Dennoch sei jederzeit mit spontanen Gewaltausb­rüchen zu rechnen, bei denen auch Unbeteilig­te zu Schaden kommen könnten. Dabei müsse immer mit dem Einsatz von Schusswaff­en gerechnet werden. Diese werden immer wieder bei Razzien und Fahrzeugko­ntrollen von der Polizei gefunden und sichergest­ellt.

Während die Bandidos das Ruhrgebiet kontrollie­ren, haben sich ihre Erzfeinde, die Hells Angels, vor allem im Rheinland ausgebreit­et. Als Hochburg der Hells Angels gilt in NRW Köln. Doch nach wie vor überschnei­den sich die Interessen der verfeindet­en Rockerclub­s im Ruhrgebiet, vor allem aber in Duisburg. Grund für die Revierkämp­fe ist eines der größten Rotlichtvi­ertel Deutschlan­ds. Monatlich verdienen die Betreiber laut Polizei rund eine Million Euro.

Laut LKA sei jederzeit mit

Gewaltausb­rüchen zu rechnen, bei denen auch Unbeteilig­te zu Schaden

kommen könnten

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QUELLE: LKA | GRAFIK: SCHNETTLER

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