Rheinische Post Kleve

Kurden und Assad vereint gegen Erdogan

- VON GERD HÖHLER

Die Lage in Nordsyrien spitzt sich zu. Regierungs­treue Einheiten und kurdische Milizen verbünden sich gegen die Türkei.

AFRIN Die Entwicklun­g bei der türkischen Invasion in Nordsyrien wird immer gefährlich­er. Gestern standen regierungs­treue syrische Einheiten kurz vor dem Einmarsch in die Enklave Afrin. Sie sollen dort die syrische Kurdenmili­z YPG beim Kampf gegen die vorrückend­e türkische Armee unterstütz­en. Durch diese neue Allianz droht eine Ausweitung des Konflikts.

Die Türkei meldete Geländegew­inne bei ihrem Vormarsch auf Afrin. Drei weitere Dörfer seien in der Region „befreit“worden, verkündete das Militär. Bei der am 20. Januar begonnenen Operation wurden nach Angaben des Generalsta­bs bisher „1641 Terroriste­n neutralisi­ert“. Die eigenen Verluste beziffert die Türkei auf 32 gefallene Soldaten. Über zivile Opfer macht sie keine Angaben. Die Hilfsorgan­isation Medico Internatio­nal forderte gestern die Uno auf, Berichte über den Einsatz von Chlorgas in Afrin zu untersuche­n. Nach Angaben der Organisati­on stellten Ärzte in dem Dorf Erende nach einem türkischen Angriff am vergangene­n Samstag bei verletzten Zivilisten Symptome für den Einsatz des Giftgases fest. Ankara bestreitet den Einsatz chemischer Kampfstoff­e.

Nach Einschätzu­ng westlicher Experten kommt die Türkei bei ihrem Vormarsch langsamer voran als man das in Ankara wohl erwartet hatte. Jetzt könnten die türkischen Soldaten auf noch größeren Widerstand stoßen. Wie die staatliche syrische Nachrichte­nagentur Sana meldete, sollten gestern regierungs­treue Milizen nach Afrin verlegt werden, um die Bürger gegen die Aggression des türkischen Regimes zu unterstütz­en. Am Sonntag hatte die YPG bekannt gegeben, dass sie ihre Kräfte mit den Regierungs­truppen von Baschar al Assad bündeln wolle.

Die Kurden haben mit dem Assad-Regime eigentlich nicht viel gemeinsam: Während Diktator Assad das gesamte Land unter seine Kontrolle bringen möchte, strebt die YPG eine Autonomiez­one im Nordosten Syriens an. Geeint sind die Kurden und Bagdad aber jetzt in ihrem Widerstand gegen die Türkei.

Mevlüt Çavusoglu Sie sieht in der YPG den syrischen Ableger der als Terrororga­nisation verbotenen PKK und will die Kurdenmili­zen aus der Grenzregio­n vertreiben.

Nach einem Bericht der türkischen Zeitung „Habertürk“sollen die regierungs­treuen syrischen Truppen innerhalb der nächsten Tage in 52 Stellungen in Afrin Position beziehen. Die Regierungs­truppen hatten sich vor sechs Jahren aus der Region zurückgezo­gen. Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu warnte Syrien davor, die YPG in Afrin zu unterstütz­en. „Niemand kann die Türkei und die türkischen Soldaten stoppen“, sagte Çavusoglu bei einer Pressekonf­erenz in der jordanisch­en Hauptstadt Amman.

Mit der neuen Allianz wird die Situation in Nordsyrien noch explosiver. Sollten die türkischen Streitkräf­te tatsächlic­h syrische Einheiten angreifen, wie Çavusoglu das jetzt androhte, könnte das auch Russland und den Iran auf den Plan rufen, die im syrischen Bürgerkrie­g auf der Seite Assads stehen.

Wenigstens scheint die Gefahr eines direkten militärisc­hen Konflikts zwischen der Türkei und den USA in Syrien vorerst gebannt. Man wolle künftig nicht gegeneinan­der, sondern gemeinsam agieren, vereinbart­en die Außenminis­ter Rex Tillerson und Çavusoglu Ende vergangene­r Woche in Ankara. Wie das konkret aussehen soll, bleibt allerdings noch vage. Vor allem beim weiteren Vorgehen in der Region Manbidsch will man sich offenbar abstimmen. Die Türkei plant eine Militäroff­ensive in Manbidsch, um die Milizen der YPG aus der Region zu vertreiben. Dort sind allerdings nicht nur Kämpfer der YPG stationier­t, sondern auch Einheiten der US-Streitkräf­te.

Für die Amerikaner ist die YPG der wichtigste Verbündete im Bodenkampf gegen die IS-Terrormili­z. Ein türkischer Vormarsch auf Manbidsch könnte zu Kampfhandl­ungen zwischen den beiden Nato-Verbündete­n USA und Türkei führen. Das versucht man nun durch eine Abstimmung der Militärs beider Länder zu verhindern. Näheres soll im März vereinbart werden, kündigte US-Außenminis­ter Tillerson in Ankara an. Die Amerikaner wollen offenbar versuchen, die syrische Kurdenmili­z YPG zu einem freiwillig­en Rückzug aus Manbidsch zu bewegen.

„Niemand kann die

Türkei und die türkischen Soldaten

stoppen“

Türkischer Außenminis­ter

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