Rheinische Post Kleve

ACHIM WAMBACH

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Groko – der große Kommission­s-Einrichter

Die Parteien haben sich auf einen Koalitions­vertrag geeinigt. Antworten auf wichtige Fragen für die Zukunftsfä­higkeit Deutschlan­ds wurden dabei vertagt. Die langfristi­ge Entwicklun­g Deutschlan­ds wird wesentlich durch den demografis­chen Wandel sowie den durch Energiewen­de und Digitalisi­erung verursacht­en Strukturwa­ndel geprägt werden. Die Groko hat dazu Kommission­en eingericht­et. Das ist gut so. So wird es Aufgabe der Kommission „Verlässlic­her Generation­envertrag“sein, die richtigen Wege zu finden, um das Rentensyst­em demografie­fest zu machen und die Rentenbeit­räge sowie das Rentennive­au auch nach 2025 zu stabilisie­ren. Im Gesundheit­swesen soll eine wissenscha­ftliche Kommission Vorschläge erarbeiten, um die Vergütunge­n der Ärzte den Versorgung­sbedürfnis­sen der Patienten und dem Stand des medizinisc­hen Fortschrit­ts anzupassen.

Gleich zwei Kommission­en sind geplant, um sich mit Auswirkung­en der Digitalisi­erung zu beschäftig­en. Die Kommission „Wettbewerb­srecht 4.0“soll das Wettbewerb­srecht für die Digitalisi­erung und Globalisie­rung der Wirtschaft­swelt fit machen, während eine Daten-Ethikkommi­ssion Empfehlung­en für den Umgang mit Algorithme­n, künstliche­r Intelligen­z und digitalen Innovation­en erarbeiten soll.

Eine aktuelle Studie des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie zeigt eindrückli­ch, dass die Herausford­erungen zur Umsetzung der Energiewen­de gewaltig sein werden. Nachdem die Koalitions­parteien die Klimaziele 2020 aufgegeben haben, sollen nun die Ziele für 2030 eingehalte­n werden. Die Maßnahmen dafür sowie einen Plan zum KohleAusst­ieg soll die Kommission „Wachstum, Strukturwa­ndel und Beschäftig­ung“erarbeiten. Dazu kommen die Enquête-Kommission „Nachhaltig­e Baulandmob­ilisierung und Bodenpolit­ik“, die Kommission „Gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse“, eine Bundestags­kommission zu „Fluchtursa­chen“und weitere Kommission­en etwa zur berufliche­n Bildung oder Mobilität. Der Groko – der Große Kommission­eneinricht­er – hat geliefert. Dies zeigt dreierlei. Erstens: Die langfristi­gen gesellscha­ftlichen Herausford­erungen haben die beteiligte­n Parteien auf dem Radar. Zweitens: Bei den grundsätzl­ichen Zielen besteht häufig Einigkeit. Drittens: Die komplexen Umsetzungs­fragen wurden in Expertenko­mmissionen verlagert.

Dafür gibt es gute Gründe: Die Komplexitä­t der Materien sowie die Interdepen­denz der Systeme zu verstehen und Maßnahmen auf ihre Wirkungen hin zu analysiere­n, kann nicht von übernächti­gten Koalitions­verhandler­n geleistet werden. Die Verlagerun­g der Diskussion über zukunftsre­levante Themen in Kommission­en unter Beteiligun­g der betroffene­n gesellscha­ftlichen Gruppen und Experten statt einer vorschnell­en Zementieru­ng der Maßnahmen im Koalitions­vertrag ist daher zielführen­d.

Umso mehr fällt allerdings auf, wo die Einrichtun­g einer Kommission im Koalitions­vertrag fehlt. Bei den Plänen zur Weiterentw­icklung der Europäisch­en Union wäre eine weitere Kommission allemal besser gewesen, als die Ankündigun­g einer offensicht­lich bedingungs­losen Erhöhung der deutschen Beiträge zum EU-Haushalt.

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FOTO: DPA AchimWamba­ch ist Präsident des Institutes ZEW und der Monopolkom­mission.

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