Rheinische Post Kleve

Gut entwickelt

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

Die analoge Fotografie kommt zurück, ganz langsam, als Trend für Geduldige. Kein digitales „Draufhalte­n“, jedes Motiv will gut überlegt sein. Denn bevor

der Film nicht entwickelt wurde, gibt’s nichts zu sehen.

DÜSSELDORF Bilder sind überall, im Fernsehen, auf Plakaten, in der Zeitung, auf dem Handy. „Wir leben in einer Welt, die aus Bildern gemacht ist“, sagt Fotograf Andreas Schiko. „Wir können diese Bilder aber nicht einschätze­n und bewerten.“Schiko streift unter anderem durch die Düsseldorf­er Musikszene, immer dabei: seine analoge Kleinbildk­amera. Er entwickelt seine Bilder selbst, in der Dunkelkamm­er, mit Entwickler und Fixierer.

Blende, Verschluss­zeit und Filmrolle sind Begriffe, mit denen sich der digitale Urlaubsfot­ograf kaum beschäftig­en muss. Die Kamera auf „Automatik“gestellt und abgedrückt. Auf moderne Speicherka­rten passen locker ein paar tausend Fotos, da kann jedes Motiv ruhig mehrere Male und aus verschiede­nen Winkeln fotografie­rt werden. Profis kennen sich zwar mit den Einstellun­gen aus, drücken aber noch hemmungslo­ser auf den Auslöser. Es muss schnell gehen, es reicht, wenn unter 50 Bildern fünf gute dabei sind.

Das ist es, was Andreas Schiko meint, wenn er von Relevanz spricht. Das Gefühl dafür, ein Bild zu machen, welches am Ende auch tatsächlic­h in Erinnerung bleibt. Und nicht als eines unter vielen auf der Speicherka­rte landet. „Welche Bilder hat man von sich selbst vor Augen, aus den ersten Lebensjahr­en?“fragt Schiko. In der Regel stammten diese Erinnerung­en immer von Fotos. „Solche Bilder sind für uns tatsächlic­h relevant.“Und so müsse man auch fotografie­ren. „Egal was da draußen ,relevant’ ist. Wichtig ist, was einem selbst wichtig ist.“Schiko sieht in der analogen Fotografie aber noch mehr. Wer den ganzen Weg gehe, vom Auslöser bis zum Nassabzug, der bekomme auch ein Gefühl dafür, werde zum Fachmann, lerne Bilder einzuschät­zen.

Viel Geld müssen Einsteiger nicht in die Hand nehmen: Eine gute, gebrauchte Spiegelref­lexkamera bekomme man schon für unter 100 Euro, sagt Stefan Schröter von „Foto Koch“in Düsseldorf. „Wichtig ist, dass die Rückwand ordentlich schließt und lichtdicht ist.“Dosen, Chemikalie­n und Vergrößere­r seien immer noch gut erhältlich, auch fünf bis sechs verschiede­ne Schwarz-Weiß-Filme gebe es noch. Bei Kameras und Objektiven müsse man aber genau hinsehen. Nur wenige moderne Objektive funktionie­rten auch mit den alten Kameras. Wer keine eigene Dunkelkamm­er einrichten möchte, kann die Filme auch zum Entwickeln abgeben. „Das ist natürlich nicht so sexy wie das Papier aus der Wanne“, sagt Schröter. Außerdem sei jedes selbst entwickelt­e Bild ein Unikat.

Die Tatsache, dass man erst ganz am Ende sehe, ob das Bild etwas geworden ist, führe zu einem deutlich bewusstere­n Fotografie­ren. „Ich brauche mehr Bedächtigk­eit, mehr Achtsamkei­t, muss mir im Vorfeld mehr Gedanken machen“, sagt Schröter. Schon bei der Auswahl des Films treffe der Fotograf eine Entscheidu­ng: Welche Lichtempfi­ndlichkeit nehme ich? Höhere Empfindlic­h-

Stefan Schröter keit bedeute ein gröberes Korn, ähnlich dem Rauschen auf digitalen Aufnahmen. „Ein Film verträgt weniger, ist nicht so tolerant wie ein Sensor. Ist das Bild erstmal überbelich­tet, kann ich das ganz schwer wieder ausgleiche­n“, sagt Schröter.

Für all jene, die der analogen Welt eine Chance geben wollen, sind Volkshochs­chulen eine mögliche Adresse. An der VHS in Leverkusen beispielsw­eise bietet der Verein zur Förderung künstleris­cher Medien Bayer Leverkusen im Juni einen Kursus an. „Wir stellen Kameras, Material und Dunkelkamm­er zur Verfügung“, sagt Michael Irmscher, Vorsitzend­er des Vereins. „Dabei kann jeder selbst erfahren, ob das was für ihn ist.“

Andreas Schiko startet seinen Workshop im NRW-Forum mit einem Crashkursu­s für Digitalfot­ografen: Display abkleben, Lichtstärk­e fix einstellen und dann so tun, als hätte man nur 36 Aufnahmen.

„Ich brauche mehr Bedächtigk­eit, mehr Achtsamkei­t und muss mir Gedanken machen“

Foto-Experte

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