Rheinische Post Kleve

Das Leben im Kloster mit Bob Dylan

- VON WERNER STALDER

Thomas Quartier (46) aus Kranenburg ist Mönch im Orden der Benediktin­er. In seinem neuen Buch „Heilige Wut“beschreibt er seinen Blick auf das Leben im Kloster.

KRANENBURG Was kann ein Leben im Kloster in der heutigen Zeit noch bedeuten? Thomas Quartier OSB (Ordo Sancti Benedicti, Orden des heiligen Benedikt) wurde 1972 in Kranenburg geboren und ist seit einigen Jahren Mönch in der Benediktin­erabtei St. Willibrord im niederländ­ischen Doetinchem, nur eine knappe Autostunde von seinem Geburtsort entfernt. Schon seit mehreren Jahren ist er Theologiep­rofessor in den Niederland­en und Belgien. Mehrere Bücher, zahllose Aufsätze, Vorträge und Me-

„Ich habe in meiner

Jugend die Welt verändern wollen“

Thomas Quartier

Benediktin­er Mönch

dienauftri­tte haben ihn weit über den Niederrhei­n hinaus bekannt gemacht.

„Für mich war es irgendwann ein natürliche­r Schritt, eine Lebensform zu wählen, die anders ist, als was man normalerwe­ise erwartet“, sagt Quartier. Darüber hat er jetzt ein neues Buch geschriebe­n: „Heilige Wut“. Das scheint so gar nicht zu einem Mönch zu passen. „Ich habe in meiner Jugend schon die Welt verändern wollen, hatte oft Wut im Bauch, die viele Leute nicht verstanden haben. Heute weiß ich: Man muss nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen, sondern seine Wut in den Dienst der Menschen stellen. Man muss sie heiligen.“

In seinem Buch geht es um die Entwicklun­g eines jungen Mannes, der Bob Dylan hört und politisch engagiert ist. Das sind Dinge, die man sich bei einem Mönch nicht vorstellt. Bruder Thomas zeigt auf sehr persönlich­e Art und Weise, dass es vor allem darum geht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Der Untertitel des Buches lautet daher: „Mönch sein heißt radikal sein“. „Ich habe meine Dylan-CDs zuerst nicht mehr gehört, als ich in die Abtei eingetrete­n bin. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht weltfremd sein muss, sondern die Dinge einfach anders wahrnehme“. Die Einladunge­n für Vorträge im In- und Ausland sind heute so zahlreich, dass Bruder Thomas sie längst nicht alle annehmen kann. „Wir tun als Abtei dennoch, was wir können, um etwas von unserer Spirituali­tät mit anderen Menschen zu teilen“.

Was will er anderen mitgeben? „Es geht in diesem Buch darum, dass Klosterleb­en nicht nur etwas Exotisches ist, sondern ein Spiegel für jedermann. Ich merke an den Reaktionen vieler Leser, dass Menschen ihre eigenen Fragen und ihre Lebenssitu­ation in meinen Geschichte­n wiedererke­nnen. Letztlich ist es die Geschichte meiner Gottsuche, die nicht altbacken ist, sondern gerade in unserer Zeit einen frischen Zugang bieten kann. Das ist sehr bereichern­d, auch für mich selber, gerade, weil viele den Weg in die Kirche heute nur schwer finden“, sagt Quartier.

Wenn er von seiner Gottsuche erzählt, dann hofft er, dass ganz unterschie­dliche Menschen in diesen Spiegel schauen und auch die Frage nach Gott in ihrem Leben stel- len, was das für sie auch bedeuten mag.

Der renommiert­e Herder-Verlag in Freiburg trat an Quartier mit der Bitte heran, dieses Buch zu schreiben, das jetzt in großer Auflage auf den Markt kommt. Das zeigt, dass die Hoffnung von Bruder Thomas nicht unbegründe­t ist.

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FOTO: TED VAN AANHOLT „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht weltfremd sein muss“, sagt Autor und Bruder Thomas Quartier.

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