Rheinische Post Kleve

Düsteres Fest in der Stadthalle

- VON VERENA KRAULEDAT

Das Landesthea­ter Detmold sorgt für ein eindringli­ches Gastspiel in Kleve.

KLEVE Bedrückt war die Stimmung im Saal der Stadthalle, als das Landesthea­ter Detmold sein Gastspiel „Das Fest“beendet hatte. Das Familiendr­ama nach dem gleichnami­gen Film der dänischen Gruppe Dogma 95 (Regie: Thomas Vinterberg, Mogens Rukov) führt dem Zuschauer in anderthalb Stunden alle menschlich­en Abgründe vor Augen, die man sich nur vorstellen kann – oder gerade nicht vorstellen möchte. Dass die Truppe unter der Regie von Martin Pfaff großartig und eindringli­ch spielte, machte das Gezeigte eher noch schwerer erträglich.

Helge, Patriarch der Familie Klingenfel­d-Hansen, feiert seinen 60. Geburtstag – mit viel Pomp, Personal und Toastmaste­r. Der Film- und Fernsehsch­auspieler Gustav Peter Wöhler verkörpert­e das Familienob­erhaupt als meisterhaf­tes Ekel, obszön, unberechen­bar, bedrohlich. Helges Frau und die drei erwachsene­n Kinder spielen mit, inszeniere­n unbeschwer­te Fröhlichke­it, wo überall Spannungen und Konflikte schwelen. Bis Sohn Christian (Hartmut Jonas) sein schlimmes Geheimnis enthüllt: Er und seine Zwillings- schwester – die inzwischen Selbstmord begangen hat – wurden als Kinder vom Vater missbrauch­t.

Diese Offenbarun­g bringt das Gebäude aus Lügen und Heuchelei zunächst keineswegs zum Einsturz. Der Vater streitet alles ab, doch besonders bitter ist, dass auch der Rest der Familie Christian nicht glaubt. Die Mutter, grandios gespielt von Kerstin Klinder, spricht ihm jede Glaubwürdi­gkeit ab: Er habe schon als Kind Schwierigk­eiten gehabt, Fantasie und Realität auseinande­rzuhalten. Dabei hat sie, wie Christian ihr verzweifel­t ins Gedächtnis ruft, den Vater sogar einmal bei seinem abstoßende­n Tun erwischt.

Das Bild einer durch und durch kaputten Familie nimmt immer abstrusere Züge an, bis sich schließlic­h ein Moment der Wahrheit auftut: Durch Zufall findet man den Abschiedsb­rief der toten Schwester Linda, der bezeugt, dass Christians Geschichte wahr ist. Erst jetzt wenden sich alle vom Vater ab, die Fassade ist endgültig zerstört.

Lässt man die vielen Nebenhandl­ungen außer Acht, bleibt das gespenstis­che Psychogram­m einer Missbrauch­sgeschicht­e, inklusive aller Verdrängun­gs- und Selbstschu­tzmechanis­men.

Ohne die vielen Nebenhandl­ungen bleibt es das gespenstis­che Psychogram­m einer Missbrauch­sgeschicht­e.

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