Rheinische Post Kleve

Land will Fahrverbot­e bis 2020 vermeiden

- VON JAN DREBES, ARNE LIEB, BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ

Das Bundesverw­altungsger­icht erklärt Verkehrsbe­schränkung­en für Dieselauto­s als letztes Mittel zur Luftverbes­serung in Städten für grundsätzl­ich zulässig. Die Stadt Düsseldorf setzt auf besseren Nahverkehr und mehr Radwege.

LEIPZIG/DÜSSELDORF Das Bundesverw­altungsger­icht hat den Weg für Diesel-Fahrverbot­e in Städten grundsätzl­ich freigemach­t. Sie seien als letztes Mittel zur Luftreinha­ltung zulässig. Die neuen Luftreinha­ltepläne müssten aber auch verhältnis­mäßig sein. Für Stuttgart gab das Gericht die schrittwei­se Einführung von Fahrverbot­en vor. Diesel der Schadstoff­klasse Euro 5 dürften hier ab 1. September 2019 ausgesperr­t werden, ältere Diesel schon eher. Die Übergangsf­risten dürften auch für andere Städte wegweisend sein. Der Stadt Düsseldorf erlegte das Gericht auf, die Aufnahme von Diesel-Fahrverbot­en im Luftreinha­lteplan zu prüfen (Az.: 7 C 26.16).

Als erste Stadt will Hamburg bereits im April Fahrverbot­e auf zwei Straßenabs­chnitten einführen. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass nun automatisc­h Diesel-Fahrverbot­e auch in Düsseldorf und anderen Städten angeordnet werden. Sie sind jetzt möglich, wenn es nicht gelingt, schnell genug die zulässigen EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid einzuhalte­n. Zu schlechte Luft in den Städten gefährdet die Gesundheit vor allem von Kindern und älteren Menschen.

Die zuständige Bezirksreg­ierung Düsseldorf will Diesel-Fahrverbot­e bis mindestens 2020 in der Landeshaup­tstadt vermeiden, wie Regierungs­vizepräsid­ent Roland Schlapka erklärte: „Es gibt keinen Automatism­us, dass in Düsseldorf Fahrverbot­e verhängt werden.“Der Luftreinha­lteplan solle bis zum Sommer in Kraft treten. Darin werde ein Bündel von Maßnahmen zur Senkung der Schadstoff­belastung aufgenomme­n, etwa die Umstellung der Busse auf Elektroant­rieb. Die Grenzwerte würden aber weiter ständig geprüft. Schlapka: „Ziel ist, dass wir 2020 Klarheit haben.“

Auch die Bundesregi­erung will Fahrverbot­e vermeiden – auch in der Form einer „Blauen Plakette“für schadstoff­ärmere Diesel, wie die Minister Christian Schmidt (Verkehr, CSU) und Barbara Hendricks (Umwelt, SPD) erklärten. Die Autobauer müssten kostenlose Hardware-Nachrüstun­gen für Diesel anbieten, sagte Hendricks. Das Bundesverk­ehrsminist­erium will streckenbe­zogene Fahrverbot­e noch 2018 in die Straßenver­kehrsordnu­ng aufnehmen. Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker sagte, sie halte Fahrbeschr­änkungen für schwer vermeidbar.

Ihr Düsseldorf­er Kollege Thomas Geisel (SPD) warnte davor, dass ein Fahrverbot die Stadt vor eine „fast unlösbare Aufgabe“stelle. DieselFahr­zeuge ließen sich bei Kontrollen nur durch einen Blick auf den Fahrzeugsc­hein erkennen. Besser sei, die Innenstadt von Autoverkeh­r zu entlasten, indem der Nahverkehr gestärkt und Radwege ausgebaut werden. Geisel forderte dafür mehr Geld vom Bund: „Verursache­r des Problems sind die Automobili­ndustrie und das Bundesverk­ehrsminist­erium, das offensicht­lich nicht streng genug die Grenze für den Schadstoff­ausstoß festgelegt hat.“

Umstritten ist in Düsseldorf, wie groß die Diesel-Sperrzone sein müsste. Ein erster Entwurf sah nur die direkte Innenstadt vor. Allein in Düsseldorf sind rund 110.000 Diesel-Pkw zugelassen. Darunter sind rund 34.000 Fahrzeuge der Klassen Euro 4 oder schlechter, die zuerst betroffen wären. Dazu kommen Hunderttau­sende Berufspend­ler, die täglich mit dem Auto in die Stadt anreisen. Das Handwerk warnt vor dem Verlust von Arbeitsplä­tzen. Die Industrie- und Handelskam­mer geht davon aus, dass der tägliche Wirtschaft­s-, Taxi- und Lieferverk­ehr von und nach Düsseldorf zu rund 90 Prozent mit Dieselfahr­zeugen abgewickel­t wird.

„Die Autofahrer dürfen nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Branche. Deshalb dürfen die Kosten für Nachrüstun­gen nicht an den Käufern hängenblei­ben“, sagte Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD). „Wir erwarten von der Automobili­n- dustrie, dass sie Euro 5- und Euro 6Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht.“Die Industrie lehnt eine Hardware-Nachrüstun­g weiter ab.

Der Städte- und Gemeindebu­nd sieht Arbeit auf die Gerichte zukommen. „Es besteht nicht nur die Gefahr einer ,Mammut-Fahrverbot­sbürokrati­e’, es ist auch eine Prozessflu­t zu befürchten, mit der sich Dieselbesi­tzer, aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverk­ehr leiden, zur Wehr setzen“, sagte Gemeindebu­nds-Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg.

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