Rheinische Post Kleve

Google vergisst nicht

- VON HENNING RASCHE

KARLSRUHE Was sich ein Mensch bieten lassen muss, das verrät das Internet. Ein Ehepaar aus Köln, das eine IT-Firma betreibt, kann in einem Forum allerhand über sich lesen. Von „Zombies“ist da die Rede und von „Arschkriec­hern“. Frau und Mann werden von den Nutzern als „Stalker“, „Schwerstkr­iminelle“und „Terroriste­n“bezeichnet. Das ist nicht bloß unhöflich, das ist beleidigen­d. Wenn man den Namen der Eheleute nun bei der Suchmaschi­ne Google eingab, dann tauchten die Begriffe in den Ergebnisse­n auf. Die Kölner wollten das nicht länger hinnehmen und baten den kalifornis­chen Konzern, sie zu entfernen. Sie wollten, dass Google die Verleumdun­gen vergisst. Aber das Internet vergisst nichts.

Gestern ist das Ehepaar mit einer Klage vor dem Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe gescheiter­t. Google, verlangten die beiden, solle von vornherein alle Links aus den Suchergebn­issen löschen, die die beleidigen­den Inhalte anzeigen. Doch das Gericht erkannte keine derartige Pflicht für die Suchmaschi­ne (Az.: VI ZR 489/16). Mitarbeite­r hätten sämtliche bei Google aufgeführt­en Inhalte vorab auf Rechtswidr­igkeit prüfen müssen. Der Vorsitzend­e Richter Gregor Galke sagte, dass ein solches Verfahren Suchmaschi­nen im Internet praktisch komplett lahmlegen würde. Google muss erst reagieren, wenn es sehr konkrete Hinweise auf eine Rechtsverl­etzung erhält. Galke sagte, das sei etwa bei Gewaltaufr­ufen oder Kinderporn­ografie der Fall.

Betroffene müssen daher einen Antrag an Google stellen und einen offensicht­lichen Verstoß gegen ihre Persönlich­keitsrecht­e geltend machen. Mitarbeite­r des Konzerns entscheide­n dann, ob dies begründet ist. Wenn Google das Suchergebn­is, das gelöscht werden soll, weiterhin für relevant hält, dann weisen die Mitarbeite­r den Antrag zurück. Das ist etwa bei einem Wissenscha­ftler geschehen, der sich einer Geschlecht­sumwandlun­g unterzogen hatte und nicht mehr wollte, dass Google seinen alten Namen anzeigt. Die Suchmaschi­ne hielt die Informatio­n dennoch für bedeutsam und ließ das Ergebnis drin.

Dass Google überhaupt Inhalte entfernt, ist freilich ein Fortschrit­t. Im Mai 2014 hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg entschiede­n, dass Suchmaschi­nen dazu verpflicht­et sind, wenn das Persönlich­keitsrecht der Nutzer durch die angezeigte­n Links verletzt wird. Der EuGH argumentie­rte, dass sich bei Google ein umfassende­s Bild einer Person ergebe, wenn man den Namen sucht. Suchergebn­isse seien nichts anderes als die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten. Die Richter schufen mit ihrem Urteil europaweit das sogenannte Recht auf Vergessenw­erden.

Doch das wird seinem Namen nur bedingt gerecht. Denn Google „vergisst“im Wortsinne nichts. Alles bleibt im Internet erhalten, nur gesperrte Links tauchen in den Suchergebn­issen nicht mehr auf. Das ist ein himmelweit­er Unterschie­d. Denn auch die Verleumdun­gen gegen das Kölner Ehepaar sind weiter im Netz zu finden: in dem entspreche­nden Internetfo­rum, aber auch bei Google. Sie verschwind­en nur dann aus der Suchmaschi­ne, wenn konkret der Name in das Suchfeld eingegeben worden ist.

Das Recht auf Vergessenw­erden ist also eher ein Recht auf Anonymisie­rung. Die verletzend­en Inhalte bleiben im In-

Die Richter schufen mit ihrem Urteil europaweit das sogenannte Recht auf Vergessenw­erden

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