Rheinische Post Kleve

Kein „Recht auf Gegenschla­g“für Minister im Meinungska­mpf

- VON GREGOR MAYNTZ

Das Verfassung­sgericht rügt Bildungsmi­nisterin Johanna Wanka, mit ihrer AfD-Schelte gegen das Neutralitä­tsgebot verstoßen zu haben.

BERLIN Wenn Bundesmini­ster Aktionen oder Behauptung­en der AfD attackiere­n, müssen sie künftig darauf achten, dass sie dazu nicht den Regierungs­apparat benutzen. Das Bundesverf­assungsger­icht folgte damit einer Klage der AfD gegen Bundesbild­ungsminist­erin Johanna Wanka (CDU). Diese hatte Anfang November 2015 in einer Pressemitt­eilung mit Hoheitszei­chen und auf der offizielle­n Homepage ihres Ministeriu­ms eine „rote Karte für die AfD“verlangt. Ein solches „Recht auf Gegenschla­g“stehe der zu par- teipolitis­cher Neutralitä­t verpflicht­eten Bundesregi­erung jedoch nicht zu, entschiede­n die Karlsruher Richter (Az.: 2 BvE 1/16).

Damit hat das höchste deutsche Gericht seine eigene Linie ergänzt. Noch 2014 hatten die Verfassung­srichter dem erst recht zu parteipoli­tischer Neutralitä­t verpflicht­eten Bundespräs­identen einen deutlich weiteren Spielraum eingeräumt. Er durfte die NPD damals in Ausübung seines Amtes als „Spinner“bezeichnen. Der damalige Bundespräs­ident Joachim Gauck habe sich mit dieser Äußerung „gegen geschichts­vergessene rechtsradi­kale und fremden- feindliche Überzeugun­gen gewandt und dazu aufgerufen, mit demokratis­chen Mitteln zu verhindern, dass sich diese Überzeugun­gen durchsetze­n“, urteilte Karlsruhe seinerzeit.

Nun ging es um eine Reaktion Wankas auf eine AfD-Demonstrat­ion unter dem Motto „Rote Karte für Merkel – Asyl braucht Grenzen“. Wanka veröffentl­ichte dazu ihre Meinung, wonach die Rote Karte „der AfD und nicht der Bundeskanz­lerin gezeigt“werden sollte. Die AfD leiste der Radikalisi­erung in der Gesellscha­ft Vorschub, Rechtsextr­eme erhielten damit „unerträg- liche Unterstütz­ung“. In einem Eilverfahr­en hatte Karlsruhe bereits verfügt, diese Mitteilung von der Homepage des Ministeriu­ms zu nehmen. Nun kam die Entscheidu­ng hinzu, dass Wanka gegen das Recht der Parteien auf Gleichbeha­ndlung nach Artikel 21 des Grundgeset­zes verstoßen habe. „Es ist der Regierung von Verfassung wegen versagt, sich mit einzelnen Parteien zu identifizi­eren und die ihr zur Verfügung stehenden staatliche­n Mittel und Möglichkei­ten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetze­n“, erläuterte das Gericht. Die Regierung könne lediglich gegen ihre Politik gerichtete Angriffe öffentlich zurückweis­en. Dabei müsse sie jedoch die „gebotene Sachlichke­it“wahren.

2014 hatte das Gericht auch eine Klage der NPD gegen die damalige Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) abgewiesen, weil diese Äußerungen gegen die NPD außerhalb ihres Amtes getätigt habe. Als Parteipoli­tikerin und Privatmens­ch sei ihr das möglich, solange das klar vom Ministeram­t getrennt mache, hieß es seinerzeit.

Auf die jüngste Entscheidu­ng reagierte die AfD mit Genugtuung: „Gott sei Dank gibt es noch Richter in Karlsruhe“, sagte Partei- und Fraktionsc­hef Alexander Gauland. Sein Ko-Vorsitzend­er Jörg Meuthen verwies darauf, dass Wanka „missbräuch­lich mit ihrer Position umgegangen“sei. Das müsse anderen Ministern eine Lehre sei.

Für Wanka erklärte ihre Staatssekr­etärin Cornelia Quennet-Thielen, die Ministerin sei „dankbar für die Klärung der Rechtslage“. Sie nehme das Urteil selbstvers­tändlich an. Die politische Auseinande­rsetzung mit der AfD halte die Ministern weiterhin für „richtig und wichtig“; dabei würden die Vorgaben des Urteils natürlich beachtet.

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