Rheinische Post Kleve

Wer braucht schon Fans?

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Die werden nämlich zur Inszenieru­ng gebraucht. Sie sind ein Teil der Unterhaltu­ngsbranche Fußball. Die Stimmung in den Stadien ist wichtig für die Vermarktun­g. Wer es schafft, eine Kleinstadt in einer Arena zu versammeln, der besitzt eine nicht zu verachtend­e Anziehungs­kraft.

Beim zweiten Montagsspi­el in dieser Saison im Dortmunder Signal Iduna Park hat ein großer Teil der organisier­ten Fanszene auf mächtige Weise gegen das Wirtschaft­sunternehm­en Fußball demonstrie­rt. Gut 27.000 Zuschauer waren gegen den FC Augsburg nicht wie sonst üblich in der als Tempel deklariert­en Spielstätt­e. Fans, die ihr Leben dem Fußball unterordne­n. Die immer da stehen, egal, ob es um die Meistersch­aft oder gegen den Abstieg geht. Menschen, die bereit sind, Grenzen zu überschrei­ten für ihren Verein, haben dieses Signal ausgesende­t: Ihr könnt nicht alles mit uns machen!

Es gibt genaue Analysen, wann ein Fußballfan ins Stadion geht, wie lange er dort verweilt, wie viele Würste er isst und welches Bier er am liebsten trinkt. Wie lange er in der Schlange darauf wartet. Im Großen und Ganzen ist der Anhänger aber nicht mehr als ein nettes Zusatzgesc­häft, dass man ganz im Sinne der Gewinnopti­mierung so gewissenha­ft wie möglich ausschlach­tet. Der Fokus liegt längst auf Internatio­nalisierun­g, auf Expansion auf den lukrativen Wachstumsm­ärkten in Asien und Nordamerik­a.

Bei diesen neuen Geschäftsm­odellen verliert der Fan seine frühere Rolle als maßgeblich­er EinnahmenB­eschaffer, der Geld zahlt, um Fußball im Stadion zu sehen. Heute ist der Fan in erster Linie Teil der großen Show, die zum Verkauf angeboten wird. Im Fußball geht es nach wie vor um die Zuschauer – aber um die vor dem Fernseher. Diese Denkweise teilt die DFL mit dem Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC), das mit den Wettkampfz­eiten von Pyeongchan­g wieder mal vor allem den nationalen TV-Märkten entgegenka­m, nicht den Fans an den Pisten und Schanzen. „Es waren Fernsehspi­ele. Olympia war am Bildschirm optimal, weil für die beliebtest­en Sportarten in Europa niemand nachts aus der Koje krabbeln musste“, schrieb die „Süddeutsch­e Zeitung“.

Braucht es bei so einem Konzept noch Fans? Fankultur? „Der Fuß- ball“, sagt der Fanforsche­r Harald Lange, „entwickelt sich immer mehr zu einem Billigprod­ukt. Er ist Massenware. Und dementspre­chend wird die Fankultur immer weiter zurückgedr­ängt bis irgendwann auch die letzten Spuren weg sind.“Lange, 49, ist Professor an der Uni Würzburg. Der Sozial- und Sportwisse­nschaftler beobachtet schon seit Jahren einen radikalen Verdrängun­gswettbewe­rb. „Der Fußball muss aufpassen, dass er seine Wurzeln nicht vollends vergisst. Beliebigke­it birgt auch ein großes Risiko“, sagt Lange. „Die Fans haben schon seit einer ganzen Weile nicht mehr das Gefühl, ernstgenom­men zu werden. Doch man darf nicht vergessen – ohne Fans, würde es den ganzen Zirkus nicht geben.“

Das Problem ist indes: Es gibt nicht die Fans. Es gibt keinen legitimier­ten Sprecher. Es gibt zig verschiede­ne Sichtweise­n auf den Fußball. Und es liegt in der Natur der Sache, dass die älteren Fans irgendwann nur noch kopfschütt­elnd die Aktionen der heranwachs­enden Generation, die sich gerne mit dem geheimnisv­ollen Namen „Ultras“schmücken, quittieren. Dem Konzern Fußball kommt dieser Zwist gelegen. In Hannover werden so die unterschie­dlichen Lager gegeneinan­der ausgespiel­t. Alt-Kanzler Gerhard Schröder, Aufsichtsr­at von Hannover 96, hat die Ultras der Niedersach­sen eine „ärgerliche Randersche­inung“genannt. Seit Monaten liefern sich verschiede­ne Grup-

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