Rheinische Post Kleve

Integratio­nsforscher steigt in Regierung ein

- VON KIRSTEN BIALDIGA FOTO: ORTHEN

Bei Aladin El-Mafaalani laufen künftig die Fäden der Integratio­nspolitik in NRW zusammen. Dafür gibt er sogar seine Professur auf.

DÜSSELDORF Noch steht er am Rand. Konzentrie­rt lauscht Aladin El-Mafaalani den Abschiedsr­eden für seinen Vorgänger. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) ist eigens zu der internen Feier im Düsseldorf­er Ministeriu­m für Kinder, Familie, Flüchtling­e und Integratio­n gekommen, auch Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP) ist dabei – und um die 40 Mitarbeite­r. Auf einmal tritt El-Mafaalani einen Schritt vor, zückt sein Smartphone und macht ein Foto.

So ungewöhnli­ch wie diese Geste in dieser Situation ist die Personalie, die in dem Ministeriu­m bisher nur intern verkündet wurde: Neuer Leiter der Integratio­nsabteilun­g wird Aladin El-Mafaalani, ein Wissenscha­ftler ohne Parteibuch und Verwaltung­serfahrung. Ihm kommt in der schwarz-gelben Landesregi­erung künftig die Schlüsselr­olle zu, die Integratio­n von Flüchtling­en und Migranten zu verbessern.

„Er ist einer der führenden Integratio­nsforscher. Ausschlagg­ebend für unsere Entscheidu­ng war die fachliche Kompetenz“, begründet Stamp die Wahl. Auf die Idee habe ihn Staatssekr­etärin Serap Güler gebracht. „Wie wichtig die Aufgabe ist, zeigt die aktuelle Diskussion um die Essener Tafel.“Hieran werde deutlich, welche Bagatellen zurzeit schon eine gesellscha­ftliche Debatte auslösten.

Im Ministeriu­m hat es Tradition, dass nicht das richtige Parteibuch über die Vergabe von Posten entscheide­t. Tatsächlic­h überdauert­e El-Mafaalanis Vorgänger Anton Rütten, Sozialdemo­krat durch und durch und seit 1993 an der Spitze der Integratio­nsabteilun­g, jeden Minister und jede Landesregi­erung. Einschließ­lich Armin Laschet, der von 2005 bis 2010 sein Chef war.

Mit der Personalie ist Stamp eine Überraschu­ng gelungen. Es kommt nicht oft vor, dass Wissenscha­ftler eine Stelle als Professor aufgeben und in die Landesverw­altung wechseln. Noch dazu war die Stelle an der Fachhochsc­hule (FH) in Münster für El-Mafaalani ein Traumjob, wie er beteuert. „Ich habe daher nicht sofort zugesagt, sondern mit mir gerungen“, gibt der 39-Jährige zu. Außerdem habe er noch ein weiteres Angebot von einer Hochschule gehabt. Überzeugt habe ihn aber schließlic­h die Aussicht, gestalten zu können: „Außerdem hoffe ich, mehr in die Praxis umsetzen zu können als bisher.“

El-Mafaalani gilt als ausgewiese­ner Bildungsex­perte. Der Frage, wie Menschen aus benachteil­igten Milieus trotzdem den sozialen Aufstieg schaffen können, widmete der gebürtige Nordrhein-Westfale seine Doktorarbe­it und einen Großteil seiner Forschungs­tätigkeit. Auf seinen Rat hören viele Politiker fast aller Parteien: Landesmini­ster, Bundesmini­ster und zeitweise auch der Bundespräs­ident. Er habe öfter mit den Redenschre­ibern von Joachim Gauck telefonier­t, mehr will er nicht verraten. Auch in den Medien ist er ein gefragter Gesprächsp­artner.

Wenn El-Mafaalani von Integratio­n redet, dann weiß er, was das heißt. Er selbst stammt aus einer syrischen Familie, wurde 1978 in Datteln geboren. Als sozialen Aufsteiger allerdings sieht er sich nicht: „Mein Vater ist Arzt: Meinen Werdegang als Sozialwiss­enschaftle­r hat er erst richtig akzeptiert, als ich Professor wurde.“El-Mafaalani wuchs in Waltrop auf und studierte nach dem Abitur an der Ruhr-Uni Bochum Politikwis­senschaft, Wirtschaft­swissensch­aft und Pädagogik. Von 2007 bis 2013 arbeitete er als Lehrer an einem Berufskoll­eg. Auf einen Ruf musste der Vater einer 15-jährigen Tochter nicht lange warten: Seit 2013 arbeitet er als Professor in Münster. Sein Lebensmitt­elpunkt ist aber Dortmund, er bezeichnet sich als fanatische­n BVB-Anhänger.

Tayfun Keltek, Vorsitzend­er des Landesinte­grationsra­tes NRW, hält El-Mafaalani für eine sehr gute Wahl. Er werde Brücken bauen. Auch in der CDU-Fraktion habe die Personalie Anklang gefunden, hieß es in Parteikrei­sen. Dort erhoffen sie sich neue Impulse.

Eine Idee hat El-Mafaalani schon jetzt: Er will die etwas statische Zusammenar­beit mit den Verbänden aufbrechen und dazu TownhallMe­etings ins Leben rufen. Also zwanglose Treffen, bei denen künftig etwa auch muslimisch­e Jugendlich­e willkommen sein könnten. „Er soll die Freiheit bekommen, die er braucht“, heißt es im Ministeriu­m.

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„Ich habe nicht sofort zugesagt, sondern mit mir gerungen“: Aladin El-Mafaalani (39) leitet künftig die Integratio­nsabteilun­g von Minister Joachim Stamp.

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