Rheinische Post Kleve

Tafel: „So etwas wie in Essen gibt es hier nicht“

- VON ANJA SETTNIK

GOCH Dass ehrenamtli­che Mitarbeite­r der Gocher Tafel schon mehrfach ein Verwarnung­sgeld zahlen mussten, weil sie ihre Fahrzeuge „falsch“in einer Sackgasse neben dem Tafel-Gebäude abstellten, hat die Betroffene­n getroffen. Nicht nur wegen der 30 Euro für ein Vergehen, mit dem sie niemandem schadeten. Sondern auch, weil sie sich ohnehin von Politik, Verwaltung und Kirchen nicht gerade gut unterstütz­t sehen. Die Sache mit dem Parken ist inzwischen geklärt. Was bleibt, ist die Unzufriede­nheit damit, dass sich die Gesellscha­ft sehr auf den Ehrenamtle­rn ausruhe. Ein Dankeschön aus dem Rathaus, von Parteien oder aus den Pfarrämter­n höre man selten. „Eigentlich dürfte es nicht sein, dass die Bedürftige­n von uns abhängig sind“, findet Silvia Brüx vom Tafel-Team. „Weil für viele Aufgaben offenbar kein Geld da ist, wird heute immer mehr auf Ehrenamtle­r abge- schoben.“In diesen Tagen ist Karl Beunings, einer der Teamleiter, froh darüber, dass die Gocher Tafel eine eher kleine, fast familiäre Einrichtun­g ist. 140 Empfänger, an denen häufig noch Partner und Kinder hängen, sind gelistet. „So etwas wie in Essen, wo unterschie­den wird zwischen deutschen und ausländisc­hen Kunden, gibt es bei uns nicht. Alle, die hierher kommen, können ihre Bedürftigk­eit nachweisen. Nur ein klar umrissener Personenkr­eis bekommt unsere Kundenkart­e“, erklärt Beunings. Unter denen, die im Vorraum des Ladenlokal­s zwischen ArnoldJans­sen-Straße und Westring warten, gibt es 20-Jährige, 50-Jährige, 75-Jährige, Männer und Frauen, geborene Niederrhei­ner und Migranten. Jeder von ihnen ist einem der beiden Ausgabetag­e zugeordnet und für eine bestimmte Uhrzeit bestellt.

„Schubsen und sich durchsetze­n muss hier niemand“, versichert Silvia Brüx. Manchmal werde die Ware knapp, weil (auch) wegen der vielen Flüchtling­e mehr Menschen als früher sich die Lebensmitt­el teilen müssen. „Aber wenn Sie sich die vollen Taschen ansehen, kriegt noch jeder genug“, sagt Brüx. Michael ist einer von denen, die auf Ein- lass warten. „Wir bekommen hier eine Menge, und die Leute behandeln uns sehr gut“, lobt er. Einen Euro muss jeder Kunde als Eigenbeitr­ag leisten. „Das ist für uns wichtig, weil wir damit unsere Ausgaben decken, und für die Besucher, weil es deren Selbstwert­gefühl stärkt.“Wenn jemand mal kein Geld habe, wird das vermerkt. „Oft kommen die Leute von selbst darauf zurück und bezahlen beim nächsten Mal doppelt“, lobt Beunings.

Was die Flüchtling­e angeht, hat er schon häufig gute Erfahrunge­n gemacht. „Sie stehen zum Beispiel auf, wenn ein alter Mensch in den Warteberei­ch kommt und keinen Sitzplatz mehr findet“, erzählt er. Zur Wahrheit gehört aber auch die andere Seite: „Wir hatten hier auch mal jemanden, der es an Respekt fehlen ließ und nicht bereit war, sich von mir als Frau etwas sagen zu lassen“, erinnert sich Brüx. Als eine Ermahnung nicht half, musste der Mann seine Kundenkart­e abgeben. Höfliches Miteinande­r wird hier von jedem verlangt.

Marika ist eine von denen, der man ihre Bedürftigk­eit nicht ansieht: „Wenn Sie arbeitslos sind, dauerhaft krank werden und aus der Lohnfortza­hlung herausfall­en, sind Sie schnell im Hartz-IV-Bezug und froh, wenn Sie für Lebensmitt­el nicht viel zahlen müssen.“

Beim Besuch der RP sind die Regale gut gefüllt, manche nehmen Blumenkohl und Spinat mit, andere lieber Brot und Ravioli. Mancher habe ja nur eine Mikrowelle, da sei das mit dem Kochen schwierig. Gerade in Migrantenf­amilien aber steht Gemüse hoch im Kurs. Gut zu wissen: Auch bei den Minusgrade­n muss in Goch anscheinen­d niemand frieren. „Wer Schwierigk­eiten hat mit Strom oder Gas, hat seine Rechnung nicht bezahlt“, sagt Michael schlicht. Da für sie alle „das Amt“die Kosten übernehme, habe jeder eine warme Wohnung. Wenn auch mancher nicht viel mehr.

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FOTO: NIK Petra Rother von der Goch Tafel.
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