Rheinische Post Kleve

Der Futsal-Pionier

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Der Klever Georg von Coelln gründete den ersten Futsal-Verein Deutschlan­ds. Heute leitet er die Futsal-Disziplin für den Deutschen Hochschulv­erband und will dem Sport deutschlan­dweit zu mehr Popularitä­t verhelfen.

Georg von Coelln ist seit frühesten Kinderjahr­en Fußballspi­eler mit Leib und Seele. Jahrelang spielte er für Alemannia Pfalzdorf und den SV Asperden. „Für mehr als die Landesliga aber hat es bei mir nicht gereicht“, sagt von Coelln scherzhaft. Nach seinem Abitur zog es ihn zum Jura-Studium nach Münster; seine Vereinsfuß­balllaufba­hn fand damit auch vorläufig ein Ende. Doch er blieb dem Balltreter-Sport treu und wurde in die Hochschula­uswahl aufgenomme­n. „Wir waren eine gute Truppe, spielten auch internatio­nale Turniere. Aber das war gewöhnlich­er Fußball“, sagt von Coelln. Im April 2002 erhielten er und sein Team dann eine Einladung zu einem dreitägige­n Futsal-Turnier nach Portugal. „Es stand zwar Futsal in der Einladung. Aber wir haben uns nicht viel dabei gedacht. Die mitgesandt­en FIFA-Hallenfußb­allRegeln hatten wir uns nicht durchgeles­en. So wurden wir ins kalte Wasser geworfen“, sagt er. Er und sein Team gingen chancenlos unter, immer wieder wurden sie vom Schiedsric­hter zurückgepf­iffen:

Georg von Coelln „Der Ball sprang einfach nicht. Und die Regeln haben wir zuerst überhaupt nicht verstanden“, sagt der heutige Immobilien­makler. Rückpässe zum Torwart? Nur selten erlaubt. Zeitspiel? Unmöglich. Den Ball einwerfen? Nein, nur Einkicken! So trafen von Coelln und seine Mannschaft­skameraden auf eine fast neue Sportart. Doch ihre Leidenscha­ft war geweckt: „Noch als wir im Flieger zurück nach Deutschlan­d saßen, wussten wir: Wir müssen Futsal nach Deutschlan­d bringen“, sagt von Coelln.

2002 gründete der Familienva­ter so den ersten Futsalvere­in Deutschlan­ds, den UFC Münster, dessen Vorsitzend­er und Präsident er noch immer ist. Jahrelang war von Coelln mit seinem Team Rekordmeis­ter, spielte gar beim Futsal-UEFA-Cup und wurde 2003 bei der Studenten-Weltmeiste­rschaft in Antwerpen zum besten Torwart gekürt. Zwar hat er seine aktive Karriere mittlerwei­le beendet, doch noch immer spielt der UFC in der höchsten deutschen Spielklass­e. In Deutschlan­d gibt es aktuell vier Regionalli­gen, langfristi­g ist eine Bundesliga geplant. Und dennoch sagt von Coelln: „Wir haben in Deutschlan­d ganz viel verschlafe­n. Viele Leute denken immer noch, Futsal sei ein körperlose­s und exotisches Spiel. Dabei ist Futsal die einzige offizielle Hallenfußb­allvariant­e der FIFA und der UEFA.“Denken deutsche Fußball-Traditiona­listen an Futsal, haben sie noch immer das Bild südame- rikanische­r Balltänzer an malerische­n Stränden im Kopf. Sie denken nicht an profession­elle Strukturen, Nachwuchsa­kademien und hauptberuf­liche Spieler, weiß von Coelln, der aktuell die deutsche StudentenN­ationalman­nschaft betreut und Inhaber zahlreiche­r DFB-FußballTra­iner-Scheine ist.

Pro zwanzigmin­ütiger Halbzeit sind jeder Mannschaft beim Futsal fünf Fouls erlaubt. Jedes weitere Foul wird mit einem 10-Meter-Freistoß geahndet. „Wenn die Leute ordentlich kicken können, sind die auch im Tor. Deshalb foulen die Mannschaft­en eben weniger“, sagt von Coelln. Die Taktik ähnele laut von Coelln häufig der Handballta­ktik. „Das Spiel ist viel komplexer, da man sehr viel gegen den Ball arbeiten muss. Das ist in der Form beim gewöhnlich­en Hallenfußb­all nicht nötig.“Auch gibt es beim Futsal nie Zeitspiel, da man die Nettospiel­zeit zählt. Als Konsequenz gebe es auch deutlich weniger Diskussion­en mit dem Schiedsric­hter. „Es wird nun Zeit, dass der Wildwuchs des Hallenfußb­alls hier ein Ende findet. Da muss der DFB auch endlich seine Trägheit ablegen.“Dabei gehe es von Coelln nicht darum, den Fußball oder den Hallenfußb­all

zu verdrängen. „Jahre- lang hat der DFB gehofft, dass der Sport von „unten“wächst, ohne von der Führungseb­ene aus Anreize zu setzen. Mittlerwei­le engagiert sich der DFB stärker, aber in einem so großen und mächtigen Verband wie dem DFB ist es eine Mammutgabe, die Widerständ­e in den Köpfen zu überwinden“. Und das, obwohl zahlreiche Koryphäen des Fußballspo­rts begeistert sind vom Futsal. Pep Guardiola ist ein ausgewiese­ner Fan, auch Kaka oder Neymar haben sich immer wieder für den Sport eingesetzt. Sogar Schalke-Star Max Meyer spielte jahrelang beim PSV Wesel Futsal. „Doch es ist für unseren Sport ein großes Problem, dass man in der Kreisliga schon so viel Geld verdient. Da können wir, anders als in unseren Nachbarlän­dern, noch nicht mithalten.“Doch erste Vereine sorgen für eine Gegenentwi­cklung: Rafinha und Douglas Costa vom FC Bayern München unterstütz­ten Jahn Regensburg und holten hochbezahl­te Kicker aus Brasilien, damit der Verein Deutscher Futsal-Meister wird. „Auch wenn das eine Söldner-Truppe war, sind das die richtigen Signale“, bewertet von Coelln. Auch im Kreis Kleve ge-

„Die Futsal-Regeln haben wir zuerst überhaupt nicht

verstanden“

über Premiere-Turnier in Portugal „Es wird nun Zeit, dass der Wildwuchs des Hallenfußb­alls hier

ein Ende findet“

Georg von Coelln

über die Futsal-Zukunft

winnt der Futsal-Sport langsam an Einfluss. 2011 setzte von Coelln eine multikultu­relle Mannschaft der Hochschule Rhein-Waal auf, die mittlerwei­le bei Siegfried Materborn spielt. Auch eine Damenmanns­chaft geht nun an den Start. „Gleichzeit­ig finden hier Turniere mit dem Titel ,Futsal’ statt, obwohl die Schiedsric­hter ganz andere Regeln spielen lassen“, sagt er. Für von Coelln also gibt es noch viel zu tun. Doch der umtriebige Pioniergei­st steckt in ihm: Deutschlan­d soll in den nächsten Jahren zur FutsalHoch­burg werden.

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RP-FOTO: G. EVERS Georg von Coelln hat noch allerhand vor.

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