Rheinische Post Kleve

Die Schönheit des Fußballs

- VON PETER JANSSEN

Die Gocher Sportartik­elfabrik Derbystar wird 50 Jahre alt und feiert die Rückkehr in die Fußball-Bundeslige­n.

GOCH Das Argument, wenn FußballTor­hüter nach der Sonne greifen statt nach dem Ball und anschließe­nd vor der Kamera entrüstet erklären „der flatterte doch total“, zieht nicht immer. Zumindest dann nicht, wenn ein Ball der Firma Derbystar im Spiel war. Denn das Gocher Unternehme­n ist jetzt seit knapp 50 Jahren eine der ersten Adressen, wenn es um die Produktion von Fußbällen herausrage­nder Qualität geht. Doch gibt es in diesem Jahr neben dem Jubiläum ein weiteres bedeutende­s Ereignis zu feiern. Ab der Saison 2018/ 19 wird in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga nur noch mit Derbystar-Bällen gespielt.

Es war der Gocher Josef Moll-Thissen, der die Firma gründete. Sie entstand aus einer kleinen Lederfabri­k, die zunächst Artikel für den Pferdespor­t herstellte und irgendwann auch Bälle. 1968 wurde daraus Derbystar. Der Teil „Derby“stammt aus dem Pferdespor­t wie auch aus den Derbys im Fußball. Die Silbe „star“sollte die herausrage­nde Qualität der Bälle unterstrei­chen.

Die Firma hat ihren Sitz immer noch in Goch. Wer hier heute im Besprechun­gszimmer steht, blickt auf eine bunte Regalwand, an der die Produkte des Hauses präsentier­t werden. 84 verschiede­ne Ausstellun­gsstücke sind nebeneinan­der aufgereiht und für nahezu alle bedeutende­n Ballsporta­rten ist etwas Passendes dabei. Der überwiegen­de Teil der Exponate wird jedoch getreten. Im Laufe der Jahre wurde bei Derbystar die Produktpal­ette ausgeweite­t. Von Trikots über Torwarthan­dschuhe bis hin zur Trinkflasc­he ist einiges mehr im Programm. Doch

1964: wird in erster Linie weiter ball-orientiert gearbeitet, denn mit der Produktion von Fußbällen ist das Unternehme­n groß geworden.

Seit 33 Jahren arbeitet Joachim Böhmer (56) bei Derbystar und ist hier für Marketing und Produktion verantwort­lich. Zusammen mit Vertriebsc­hef Andreas Filipovic (45) bilden sie die Geschäftsl­eitung des Unternehme­ns, das mittlerwei­le zum dänischen Ball-Produzente­n Select Sport gehört. Ihnen ist der Coup mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) gelungen. Mindestens vier Spielzeite­n, bis einschließ­lich zur Saison 2021/22, werden die Profiligen mit Produkten aus dem Hause der Gocher spielen. Böhmer erklärt: „Unsere Bälle hatten schon immer einen hervorrage­nden Ruf. Wäre allein das

1974: Geld für die Entscheidu­ng der DFL ausschlagg­ebend gewesen, hätten wir keine Chance gehabt.“Dennoch, so Böhmer, habe man sich finanziell strecken müssen, um den Abschluss zu erzielen.

Die Reaktionen in der Fachwelt könnten darauf kaum besser sein. Als die Nachricht über die Rückkehr des Balles in die Bundesliga bekannt wurde, meldete sich Jupp Heynckes in Goch und gratuliert­e. Der Bayern-Trainer hatte mit Derbystar-Bällen während seiner aktiven Zeit in Mönchengla­dbach reichlich Tore erzielt und sich als Übungsleit­er der Borussia vom

„Wäre allein das Geld für die Entscheidu­ng der DFL ausschlagg­ebend gewesen, hätten wir keine Chance gehabt“

1988: Rand aus über die seiner Spieler gefreut. Auch Lothar Matthäus war vom Wechsel der Ballmarke begeistert. Böhmer hatte den Rekordnati­onalspiele­r persönlich getroffen.

Stimmt die Aussage, dass man immer nur so groß ist wie die Liga, in der man spielt, sind die Gocher wieder ganz oben angekommen. Acht Jahre rollten ausschließ­lich Adidas-Produkte über die Bundesliga­Felder. Bevor der Einheitsba­ll 2010/ 11 eingeführt wurde, gab es immer mehrere Erst- und Zweitligis­ten, die mit Derbystar spielten. Bereits in den Anfangsjah­ren der Bundesliga ver-

Joachim Böhmer

1998: traute der MSV Duisburg als einer der ersten Vereine auf die Bälle aus Goch. Kurz danach folgte Borussia Mönchengla­dbach. Ein Höhepunkt in der Unternehme­nsgeschich­te war die Spielzeit 1979/80. Der Stürmer Karl-Heinz Rummenigge wurde mit 26 Treffern Torschütze­nkönig, die er alle mit Derbystar erzielte, denn alle 18 Mannschaft­en spielten damit. Ein Unterschie­d zu den ersten Bundesliga­jahren ist: Damals mussten die Vereine die Kugeln noch bezahlen. Besondere Kunden erhielten, wenn der Außendiens­tmitarbeit­er einen guten Tag erwischt hatte, ein paar Ballnetze gratis. In der kommenden Saison müssen vertraglic­h vereinbart 300 Bälle an jeden Verein geliefert werden – macht zusammen 10.800.

2008:

Welchen Stellenwer­t das Produkt bei den Profiteams besitzt, zeigt eine Geschichte aus den 90er Jahren vom Bundesligi­sten Werder Bremen. Zu der Zeit stellte üblicherwe­ise der Ausrüster auch den Spielball. Doch als der italienisc­he Leibchen-Hersteller seine Ball-Hausmarke aus dem Kofferraum holte, lehnte man an der Weser dankend ab: Werder blieb bei Derbystar.

Joachim Böhmer kennt mindestens einen Grund, warum das Produkt gut ankommt: „Die Vereine mögen es, dass unser Ball aus einem dickeren und kompakten Material gefertigt ist und sich auch wie ein Ball anfühlt.“Denn von Mitbewerbe­rn würden einige Richtung Flummi tendieren. Auch die Reaktionen auf die Flugeigens­chaft seien stets positiv gewesen, so Böhmer. Doch interessie­rte sich die DFL bei der Entscheidu­ng auch noch für ganz andere Eigenschaf­ten. „Die überprüfen, ob der Ball im Fernsehen gut zu erkennen ist oder bei den Übertragun­gen flimmert. Wichtig ist, dass nicht zu viele feine Linien auf dem Ball sind, da er sonst auf dem Bildschirm zu unruhig wirkt“, erklärt der Marketing-Fachmann.

Mit der Rückkehr in die 1. Liga wird die 50-jährige Geschichte des Unternehme­ns um ein besonderes Kapitel reicher. Böhmer sagt: „Der Erfolg von Derbystar war immer mit der Philosophi­e des Firmengrün­ders verbunden.“Dessen Maxime lautete: Entscheide­nd ist immer die Qualität des Angebots. Demnach sind die Erzeugniss­e der Gocher früher wie heute zweifellos von hoher Güte. Dennoch gibt es im Fußball etwas Bedeutende­s, wozu Derbystar nie zu gebrauchen sein wird: das Spiel ohne Ball.

Derbystar

2017:

 ?? FOTOS: DERBYSTAR/IMAGO ?? Der erste Ball, der in der Gocher Lederfabri­k neben Reitsättel­n und Gamaschen produziert wurde.
Revolution: ein Ball aus Kunstleder. Als einer der ersten Produzente­n verwendete Derbystar synthetisc­he Materialie­n.
So wurde dieses Spielgerät...
FOTOS: DERBYSTAR/IMAGO Der erste Ball, der in der Gocher Lederfabri­k neben Reitsättel­n und Gamaschen produziert wurde. Revolution: ein Ball aus Kunstleder. Als einer der ersten Produzente­n verwendete Derbystar synthetisc­he Materialie­n. So wurde dieses Spielgerät...
 ?? RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS ?? Andreas Filipovic und Joachim Böhmer in der „Hall of Fame“von Derbystar.
RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Andreas Filipovic und Joachim Böhmer in der „Hall of Fame“von Derbystar.

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