Rheinische Post Kleve

Der Rausch und die Leidenscha­ft der Liebe

- VON BARBARA MÜHLENHOFF

Dorothee Mields und die Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner beim 6. Reihenkonz­ert in Kleve

KLEVE Wenn der Rausch und die Leidenscha­ft der Liebe zum Wahn werden, ist „Love’s Madness“ein schmaler Grat zwischen Lachen und Weinen. Diesen Grat haben Sopranisti­n Dorothee Mields und die Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner beim 6. Reihenkonz­ert in Kleve ausgelotet. Die Entwicklun­g der „Mad Songs“, der Lieder rund um den Liebeswahn, begann in den Bühnenmusi­ken des Komponiste­n Henry Purcell, der an dem Abend reichlich im Programm vertreten war. Den über 25 dargeboten­en Werken diente die Ballade „Bedlam Boys“als Einleitung und Abschluss, wobei Bedlam als Bezug zum Bethlehem Royal Hospital, dem Londoner Irrenhaus des 17. Jahrhunder­ts, stand. Eindrückli­ch wurden zwischen Vokal- und Instrument­alstücken die Stimmungsw­echsel zwischen den Abgründen menschlich­er Empfindung­en, Verzweiflu­ng und Starrsinn bis hin zum Frohsinn vollzogen - jede Interpreta­tion für sich und das Programm als Ganzes absolut abwechslun­gsreich und kurzweilig. Den „Wahnsinn“erlebte man daher keinesfall­s als übergriffi­g, sondern das Thema unterhielt die Zuhörer mit dem nötigen Abstand zur Verzweiflu­ng der „Tollhaus-Insassen“. „O Solitude“wurde zum ruhigen Pol in den Liebesgeze­iten, während bunt-wilde Stücke wie „Jack thou’art a Toper“den Puls hochschnel­len ließen. Den „Grim King of the Ghosts“von John Gay und Johann Christoph Pepusch ließ die Lautten Compagney mit Rasseln, Klappern und Luftsausen erklingen. Seine Rolle mit allen Percussion-Möglichkei­ten erfüllte Peter Bauer am reichen Schlagwerk sehr lebendig in Rhythmus-und Geräusch-Spiel sowie mit Mimik und Gestik. Purcells Lehrer Matthew Locke erklang zum Beginn der zweiten Konzerthäl­fte mit „Curtain tune in the Tempest“.

Dorothee Mields und die Lautten Compagney kosteten das in der Mu- sik steckende, gegen den Strich Gebürstete lustvoll aus, ohne die Musik auf diesen Aspekt zu reduzieren. Der Abend gelang so in allen Facetten, auch in den lyrischen Phasen mit zart wirkender Musik, von Trauer bis Lust, keinesfall­s als Panoptikum skurriler Überzeichn­ungen liebesgesc­hädigter Figuren. Klarer, schnörkell­oser, schönster Klang von „innerlich“bis „extroverti­ert“, unterstric­hen von der Natürlichk­eit des Miteinande­rs der Ausführend­en, die ganz in die Musik eintauchte­n.

Zum Höhepunkt wurde Purcells „Dido’s Lament“. Diese anrührende und dramatisch­e Szene, in der Dido, Königin von Karthago, den Ab- schied von ihrem geliebten Helden Aeneas beklagt, setzte Mields rund um „darkness“und „death“mit sinnlicher Ausstrahlu­ngskraft in musikalisc­he Szene. Ein Stück, das ein Gefühl der Verzweiflu­ng vermittelt­e, für die es mit der dargestell­ten Todesnähe eigentlich keine Worte gibt.

Jeder Musiker der Lautten Compagney mit „seinen“Instrument­en, von Blockflöte über Violine, Viola, Theorbe und Laute bis Cembalo sowie dem Schlagwerk in diversen, teil skurrilen Ausführung­en (inklusive Maultromme­l) trug mit maximaler Präsenz zum feinsinnig differenzi­erten Spiel bei. Minutenlan­ger Applaus des begeistert­en Publikums.

 ?? FOTO: KONZERTE ?? Organist Thomas Tesche und seine Stimmen: Ernst Hanßen und Elisabeth Verhoeven.
FOTO: KONZERTE Organist Thomas Tesche und seine Stimmen: Ernst Hanßen und Elisabeth Verhoeven.

Newspapers in German

Newspapers from Germany