Rheinische Post Kleve

Zum Freuen ist es noch zu früh

- VON KIRSTEN BIALDIGA VON MATTHIAS BEERMANN VON MARTINA STÖCKER 54 STUNDEN NERVENKRIE­G, SEITE A 3

Die Basis ist gelegt. Die Landesregi­erung hat den Gesetzentw­urf auf den Weg gebracht, der die ersehnte Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren wieder möglich machen soll. Damit löst sie eines ihrer zentralen Wahlverspr­echen ein.

Das ist sicher eine gute Nachricht, zum Jubel besteht aber noch kein Anlass. Selbst zentrale Fragen sind noch offen. Etwa, woher die 2200 zusätzlich­en Lehrer kommen sollen. Oder wie hoch die Kosten für die Kommunen sind, weil mehr Räume und Gebäude benötigt werden. Für berufstäti­ge Eltern existenzie­ll ist die Frage, ob die Gymnasien ihre Übermittag­sangebote im gleichen Umfang aufrechter­halten. Damit nicht genug: 2026 wird es in NRW nur sehr wenige Abiturient­en geben, weil die Gymnasien ein Jahr lang ohne Absolvente­n auskommen müssen. Die Auswirkung­en auf ausbildend­e Betriebe, Unis, aber auch auf wechselwil­lige Real- und Hauptschül­er werden erheblich sein.

Es liegt also noch viel Arbeit vor der Schulminis­terin. Wie auch immer die Lösungen im Einzelnen ausfallen, das Turbo-Abi sollte eine Mahnung sein. Ein solches Experiment, das eine halbe Schülergen­eration ausbaden muss, darf sich nicht wiederhole­n. BERICHT ABKEHR VOM TURBO-ABI WIRD TEUER, TITELSEITE

So betonhart Nordkoreas Herrscher auch in ihren ideologisc­hen Überzeugun­gen sein mögen, so wendig können sie sich doch zeigen, geht es um die Sicherung ihrer Macht. Noch vor wenigen Monaten drohte Kim Jong Un den USA und deren pazifische­n Verbündete­n mit Tod und Verwüstung durch seine neuen Atomrakete­n. Doch dann schickte er plötzlich eine Delegation zu den Olympische­n Winterspie­len nach Südkorea, und nun will er sich schon im April mit dessen Präsident Moon Jae In treffen. Eine bemerkensw­erte Wende.

Dass Kim plötzlich mit Olivenzwei­gen winkt statt mit Raketen, hat vor allem mit der Isolation Nordkoreas zu tun, die ein noch nie erreichtes Ausmaß erreicht hat. Zuletzt stellten sich nicht einmal mehr Russland und China im UN-Sicherheit­srat gegen schärfere Sanktionen. Kim geht es darum, diese Front aufzuweich­en. Außerdem braucht er Südkorea, um die wirtschaft­liche Lage zu verbessern. Das alles trägt erst einmal zur Entspannun­g bei, und alle Beteiligte­n sollten diesem Prozess eine Chance geben. Freilich ohne Naivität: Kim ist kein Friedensen­gel. BERICHT GIPFELTREF­FEN ZWISCHEN NORD- UND . . ., TITELSEITE

JWendiger Kim Jong Un

Zu wenig gelernt

ohnny Bastiampil­lai war sieben Jahre alt, als er mit seiner Mutter im Bus nach Hause fahren wollte und zu einer Geisel wurde. Die Gladbecker Geiselgang­ster kaperten 1988 in Bremen einen Bus mit 32 Passagiere­n. Bastiampil­lai und die anderen wurden bedroht und erlebten den Mord an einem 15-Jährigen. Nach der Freilassun­g kam das große Nichts. Von staatliche­r Seite habe nie ein Mensch mit ihnen über die Situation gesprochen, sagt Bastiampil­lai. „Es ist keine Hilfestell­ung geleistet worden.“

Das Gladbecker Geiseldram­a ist zum Synonym für Staatsvers­agen geworden. Für ihre Einsatzpla­nung hat die Polizei daraus gelernt, bei der Opferbetre­uung sieht es 30 Jahre später besser aus, aber nicht gut genug. NRW hat seit Ende 2017 seine erste Opferbeauf­tragte. Ein guter Schritt, aber doch zu wenig. Es braucht ein Hilfe-Netz, ein ganzes Team an Unterstütz­ern, eine Koordinati­on staatliche­r Stellen. Nicht nur das Betreuungs­chaos nach dem Anschlag auf dem Breitschei­dplatz, von dem Opfer und Hinterblie­bene berichten, zeigt, dass am Ende nicht genug aus dem Gladbecker Geiseldram­a gelernt wurde. BERICHT

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