Rheinische Post Kleve

Wegweiser zu den Stolperste­inen

- VON MICHAEL BAERS

Eine Publikatio­n informiert über die Gocher Opfer der Nazi-Diktatur. Sie wird heute Abend im Kastell vorgestell­t.

GOCH Das Heft, 76 Seiten stark, ist handlich und übersichtl­ich wie ein Reiseführe­r für unterwegs. Sein Inhalt aber ist ein besonderer. Der „Wegweiser zu den Stolperste­inen in Goch“führt den Leser an alle Orte der Stadt, wo Menschen lebten, die Opfer der nationalso­zialistisc­hen Diktatur wurden.

Die „Initiative Gocher Stolperste­ine“hat den Wegweiser mit Unterstütz­ung der Stadt Goch herausgege­ben, er ist soeben erschienen und im Buchhandel für 9,90 Euro erhältlich. Er enthält alle Namen der Opfer, ihrer Familien, wo sie gewohnt und gearbeitet haben, wann sie geboren wurden und wie und wann sie starben.

Bemerkensw­ert ist die Vielzahl der abgedruckt­en Fotos. Bilder aus glückliche­n Tagen zeigen die neunjährig­e Leni Valk im weißen Sonntagskl­eid. Sie wurde 1943 im Vernichtun­gslager Sobibor in Polen vergast. Familienfo­tos sind dabei, wie sie jeder auch zu Hause in Alben eingeklebt hat. Der Text, verfasst von Stadtarchi­varin Judith Schouten, enthält nur Daten, reine Fakten, und ist gerade deshalb so erschütter­nd, weil er kommentarl­os Ungeheuerl­iches beschreibt.

Wie Stephan Mann, Leiter des Fachbereic­hs Kultur, anlässlich der Wegweiser-Vorstellun­g berichtete, verlegte Gunter Demnig, der Künstler, der seit Anfang der 90er Jahre in ganz Europa 61.000 Stolperste­ine verlegt hat, 2017 in Goch den letzten Stein. Die Initiative Gocher Stolperste­ine und die Stadt Goch entschloss­en sich, aus diesem Anlass einen Wegweiser herauszuge­ben, der möglichst vielen Bürgern die Namen und die Geschichte­n der betroffene­n Menschen zugänglich macht. „Der Wegweiser soll auch eine Brücke sein von der Ehrung der Opfer zur Mahnung in der Gegenwart“, betonte Mann. Es sei damit auch ein politische­s Statement in heutiger Zeit. Während die Zeitzeugen sterben, würden damalige Ideolo-

Stephan Mann gien plötzlich wieder „salonfähig“, schlichen sich leise ein in Politik und Gesellscha­ft. Dem müsse Einhalt geboten werden durch Transparen­z, Informatio­n und Dokumentat­ion der Ereignisse. Alle Fakten stammen aus dem Stadtarchi­v. „Das Archiv ist das Gedächtnis der Stadt“, sagte Stephan Mann.

Die Gocher Lehrerin Ruth Warrener habe ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der jüdischen Schicksale in Goch geleistet. Ihr umfangreic­hes Werk „Wider das Vergessen“erschien 2017 und wurde vom Heimatvere­in herausgege­ben. Wie Mann berichtete, wurde die Verlegung der Stolperste­ine in Goch vor einigen Jahren maßgeblich vom Engagement der Leni-ValkRealsc­hule und der „Initiative Stolperste­ine in Goch“angeregt. Nachdem der Rat der Stadt einstimmig der Verlegung zugestimmt hatte, steuerte Johannes Janßen die Finanzieru­ng, die ausschließ­lich von Spenden getragen sein muss. Ein Stein mit Verlegung kostet 120 Euro. Die Gocher Bürger spendeten insgesamt für die Verlegunge­n 15.000 Euro, über 80 Steine wurden verlegt. Hinzu kommt die Unterstütz­ung des Kommunalbe­triebes, der die jeweiligen Verlegunge­n logistisch ermöglicht­e. „Immer ist eine Vielzahl von helfenden Menschen beteiligt“, so Stephan Mann.

Heute Abend ist im Kastell die öffentlich­e Vorstellun­g. Crischa Ohler vom Theater mini-Art Bedburg-Hau wird aus Stépane Hessels „Empört euch“lesen. An der offenen Diskussion sind Pfarrerin Rahel Schaller, Judith Schouten, Johannes Janßen und Pater Hans Peters beteiligt, die Moderation übernimmt Stephan Mann. Den musikalisc­hen Rahmen gestaltet Christoph Krott. Der Eintritt ist frei.

„Der Wegweiser soll Brücke sein von der Ehrung zur Mahnung“

Leiter des Museums Goch

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RP-ARCHIV: KDS Auch das Schicksal der Familie Valk ist in der 76-seitigen Veröffentl­ichung zu finden. Die neunjährig­e Tochter Leni wurde 1943 in Sobibor vergast.

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