GEGENPRESSING
Der HSV schafft sich selbst ab
Es ist durchaus möglich, dass sich der Hamburger Sportverein auch dieses Mal wieder am Abstieg noch irgendwie vorbeiduselt. Mit diesem Szenario muss man sich einfach auseinandersetzen. Mickrige sieben Punkte trennen den HSV nur von dem Relegationsplatz. Das Schlimmste steht also auch in dieser Saison zu befürchten. Klassenerhalt. Irgendwie. Dabei gibt es wohl selbst unter hartgesottenen Anhängern der sogenannten Rothosen nur noch wenige, die es als sinnvoll ansehen, dass sich der Bundesliga-Dino weiter im Oberhaus quält. Bis dahin macht der HSV mal wieder typische HSV-Sachen. Leute rausschmeißen. Sich neu aufstellen. Visionen entwickeln. Die Realität verdrängen.
Wäre es nicht der HSV, so könnte man natürlich zur Erkenntnis kommen, dass das aktuelle Stühlerücken durchaus zu einem nicht ganz so desaströsen Zeitpunkt kommt. Der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen (69) ist kurz vor seiner Rente einfach noch mal falsch abgebogen und hat sich nach Eintracht Frankfurt in branchenüblicher Selbstüberschätzung den HSV angetan. Bruchhagen wäre so oder so kein Gesicht für den abermaligen Versuch eines Neuaufbaus bei den Norddeutschen gewesen. Jens Todt, der bislang als Direktor Profifußball firmierte, ist auch nicht so ganz glücklich geworden. Sich von beiden Führungskräften zu trennen – es bietet jedenfalls die Möglichkeit, mit ausreichend Zeit in die Planungen für welche Zukunft auch immer einzusteigen. „Stand heute halte ich einen Trainerwechsel nicht für möglich. Hollerbach ist Bestandteil des Teams“, sagt der nun amtierende Vorstandschef Frank Wettstein, der bislang den Bereich Finanzen verantwortete. Morgen muss die Mannschaft bei Rekordmeister Bayern München antreten. „Wir wollen einen ersten Impuls setzen für die Neuausrichtung im Verein“, begründet Hoffmann die doppelte Freistellung. „Ein Neustart ist zwingend notwendig.“Für sich selbst hat er eine zentrale Aufgabe eingeplant.
Hinter dem Absturz des HSV steckt nicht das Scheitern von zwei Personen. Das System HSV krankt schon seit vielen, vielen Jahren. Dazu zählt auch Bernd Hoffmann, der erst kürzlich zum Präsidenten des Vereins gewählt worden ist. Ausgerechnet Hoffmann, von 2002 bis 2011 selbst Vorstandsvorsitzender, will für frischen Wind sorgen. Ein spannendes Projekt, wenn man dabei die Fenster zu lässt. Und er greift erneut nach dieser gut bezahlten Position. Hoffmann gehört zu einer Reihe von Funktionären, Selbstdarstellern und Investoren, die Hamburg dahin geführt haben, wo der Klub jetzt zu Recht steht: (fast) ganz unten.
Man kann die Namen austauschen, man kann neue Hoffnungsträger präsentieren, solange sich aber das Selbstverständnis und die Organisationsstruktur nicht grundlegend ändertn wird es keine Basis für erfolgreichen Profifußball beim HSV geben.