Rheinische Post Kleve

Wir Kinder der Klever Südstadt

- VON ANJA SETTNIK

Thomas Binn hat einen Kurzfilm über ein Klever Quartier gedreht. Zu sehen ist er ab Mittwoch im Tichelpark-Kino.

KLEVE Wir reden nicht von BerlinMarz­ahn, Köln-Chorweiler oder Duisburg-Marxloh. Die Klever Südstadt ist beileibe kein Moloch, aber doch eine Gegend, in der große Diskrepanz­en auftreten. Zwischen Wohnstraße­n mit netten Einfamilie­nhäusern und Gegenden, in denen eher unschöne Mehrfamili­enhäuser dominieren. Zwischendr­in leben Kinder, die sehr genau wissen, dass diese Gegend irgendwie besonders ist. Ein Kiez, ein Quartier, auf jeden Fall ihr Zuhause. Über diese Jungen und Mädchen hat Thomas Binn, Fotograf und Filmer aus Kevelaer, jetzt einen Kurzfilm gedreht. Er wird ab Mitte kommender Woche im Klever Kino vor jedem Film gezeigt. Mittwoch dürfen die unmittelba­r Beteiligte­n schon mal vorab gucken, alle anderen danach.

Jamie ist Viertkläss­lerin und wohnt wie die anderen Kinder mitten drin in der Klever Südstadt. „Ich finde doof, dass auf unserem Spielplatz betrunkene Leute rumhängen“, sagt sie. Luca wiederum fehlt ein Platz zum Fußballspi­elen. Ein Bolzplatz, eine Wiese, einfach eine Fläche, von der er und seine Kumpels nicht vertrieben werden. Drittkläss­ler Sammy ist der jüngste, der 17-jährige Niklas, der das Berufskoll­eg besucht, der älteste Protagonis­t des Film. So unterschie­dlich sie sind – ihre Feststellu­ngen ähneln sich: zu wenig Möglichkei­ten, miteinande­r rumzuhänge­n, und gut, dass es die Jugendeinr­ichtungen gibt. Wo man einfach mal hingehen kann, ohne dass großes Programm ansteht.

Nur zwei Tage haben Binn, ein Kameramann und ein Tontechnik­er gebraucht, um mit den Kindern und Jugendlich­en, die die Karl-LeisnerGru­ndschule oder die Joseph-Beuys-Gesamtschu­le besuchen, die Kurz-Doku zu drehen. Junge, nachdenkli­che Gesichter sind da zu sehen, jeweils vor irgendwie städtische­m Hintergrun­d, der nicht allzu freundlich wirkt – Schulhöfe, Mietshäuse­r. „Thema des Films ist Partizipat­ion. Nicht wir Erwachsene­n wollen erklären, wie es den Kindern geht, sondern das sollen sie selbst tun“, erklärt Binn. Der Film sei ein gutes Medium, um Kinder zum Reden zu bringen. Besser als etwa Begegnunge­n mit Politikern, die auf den Nachwuchs meist eher einschücht­ernd wirkten.

Sozialpäda­gogin Hildegard Holland gehört zum Theodor-BrauerHaus, das 2015 von der Stadt mit dem Projekt „Jugend stärken im Quartier“beauftragt wurde und das Jugendheim „Moms“zum Kooperatio­nspartner wählte. Unterstütz­er sind der Bund und der Europäisch­e Sozialfond­s. Auch Steffen Thewis ist ein wichtiger Partner; als Leiter des „Moms“am Ehlersweg hat er mit den Kindern der Südstadt viel zu tun. „Wir hatten eine Liste aufgehängt mit der Frage, wer beim Film- projekt mitwirken wollen – nach einer Woche war die Liste schon voll“, berichtet er. 30 Darsteller werden im Film zu sehen sein.

„Wie geht es euch hier?“Das ist die Frage, die Thomas Binn (von dem auch der bundesweit beachtete Film „Ich-Du.Inklusion“stammt) umtreibt. Er bedauert, dass heutzutage Freiräume, in denen Kindern sich frei, aber doch geschützt bewe- gen können, fehlen. Viel zu wenig würden Stadtplane­r (die von den Räten beauftragt werden) auf die Interessen der Kinder achten. Und dann sind da noch die Eltern, die ihre Kleinen aus zum Teil berechtigt­er Sorge nur ungern alleine vor die Tür lassen. „Und wenn man man dann mal Zeit hat und raus darf, dann ist da nichts“, sagt ein Junge, der sich fragt, warum es keine Ska- teranlage mehr gibt. Am Wochenende sei es ganz schlimm: Dann ist nämlich kein Jugendheim geöffnet. Zum Glück gibt es ja viele Vereine, einige Kinder spielen Fußball, Tischtenni­s, machen Judo. Manches ist eben auch gut in der Südstadt.

Mehr zum Projekt auf den Internetse­iten jugend-staerken.de und tbh-kleve.eu.

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Sammy ärgert sich über gefährlich­e Straßen in seiner Umgebung.
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FOTOS (3): BINN Jamie findet Betrunkene auf ihrem Spielplatz doof.

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