Die ganze Geschichte
Sucht man nach einem vollständigen Geschichtsbild, ist es schon bestürzend, was sich da offenbart, in welchem Umfang Geschichte heute vermittelt wird. Insbesondere, wenn es um die Jahre von 1939 bis 1945 geht: Die Anti-Hitlerkoalition zerschlägt Hitlers Deutsches Reich und befreit Europa von der Küste Westeuropas bis Danzig. Diese Darstellung genügt heute, um den Weg in die Befreiung darzustellen und mit Flüstersteinen für die Nachwelt zu vermitteln. So sieht heute die Erinnerungskultur aus, doch sie weist erhebliche Lücken auf. Selbstverständlich war die Zerschlagung des Hitlerregimes eine Befreiung für Europa, jedoch darf man bei historischen Darstellungen nicht auf Differenzierungen verzichten, denn es gibt, wie im Artikel erwähnt, nicht nur die eine Wahrheit. Insbesondere die Befreiung der Deutschen von Krieg und Nationalsozialismus stellt sich wohl dreigeteilt dar. Der Westen Deutschlands bis zur Elbe nutzte die gegebe- ne Chance eines demokratischen Neubeginns und Mitteldeutschland musste den Wechsel von einer Diktatur in eine andere hinnehmen. Was aber geschah mit den Deutschen östlich der Oder und im Sudetenland? Hier waren bei der Befreiung 9 Millionen Ostdeutsche und 3 Millionen Sudetendeutsche, darüber hinaus 3 Millionen Auslandsdeutsche, also 15 Millionen hinderlich. Millionen flohen vor Krieg und Verfolgung nach Westen oder wurden unter Mithilfe der Westalliierten aus ihrer Heimat vertrieben oder in Zwangsarbeitslagern verschleppt. Die Folge: nahezu 3 Millionen Opfer. Niemand will die Berechtigung von Stolper- und Flüstersteinen absprechen, aber auch niemand gibt Kenntnis über diese deutschen Schicksale und Zahlen, die heute wohl nicht mehr in die Erinnerungskultur passen. Oder vermitteln die Flüstersteine auch diese Ereignisse? Diese Fakten hat man in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Aussterben der Erlebnisgeneration mehr und mehr aus dem kollektiven Gedächtnis entfernt. Werner Blietz, Goch