Rheinische Post Kleve

Über die Bedeutung von Zeit

- VON ANJA SETTNIK

Im Museum Goch wird morgen um 11.30 Uhr die Ausstellun­g „The Long Now“eröffnet. Etwa 20 vorwiegend junge Künstler haben sich Gedanken über die Zeit gemacht und diese in verschiede­ne Kunstforme­n übersetzt.

GOCH Ein Metronom ist ein in der Musik verwendete­s Hilfsgerät, das in gleichmäßi­gen Zeitinterv­allen tickend ein konstantes Tempo vorgibt. Dann ist es nützlich und hilft den Takt halten. Wenn das Pendel allerdings abgelenkt wird, ist es mit dem Gleichmaß vorbei – ein solches Metronom braucht niemand. Außer das Gocher Museum für seine Ausstellun­g „The Long Now“, die am morgigen Sonntag um 11.30 Uhr eröffnet wird. Eine Woche später beginnt die Schau beim Kunstverei­n Bochum, mit dem das Gocher Kunstmuseu­m in dieser Sache kooperiert und einige Werke austauscht.

„Zeit ist etwas, das uns auf elementare Weise betrifft. Ohne eine Vorstellun­g von Zeit scheinen unsere Existenz und die Vorgänge in der Welt nicht denkbar. Zugleich stellt die Zeit ein abstraktes und schwer fassliches Phänomen dar, das Denker wie auch Künstler seit jeher beschäftig­t“, stellt Museumsdir­ektor Dr. Stephan Mann fest. Inwieweit bestimmen wir die Zeit und inwieweit bestimmt die Zeit uns? Das ist die Frage, mit der sich mehr als 20 zeitgenöss­ische Künstler bei dieser Ausstellun­g beschäftig­en. Sie nutzen dazu die Instrument­e der klassische­n Malerei, Holzschnit­te, zeichnunge­n, aber auch Videoinsta­llationen, Fotografie, Performanc­es, Objekte oder auch physikalis­che Geräte. „In all diesen künstleris­chen Positionen kommen Aspekte von Zeitlichke­it zum Ausdruck“, sagt Mann.

Das Wort oder die Silbe Zeit/zeit benutzen wir fortwähren­d. Ohne zeitliche Einordnung scheinen die meisten Dinge und Situatione­n keinen Wert zu haben oder nicht einmal zu existieren. Die in Spanien geborene Gerta Alfaro hat ein Video gedreht, in dem sich Geier auf einen gedeckten Tisch stürzen. In Anlehnung an „Das letzte Abendmahl“mit allerdings leeren Stühlen, die auf Gäste warten, bringt das bewegte Bild Handlung in die zunächst statische Situation: Die Schüsseln und Gläser haben keine Chance gegen die rabiaten Vögel.

Fasziniere­nd ist ein Gerät von Verena Friedrich, deren Seifenblas­enApparatu­r der Ausstellun­g den Namen gab: „The Long Now“– eine perfekt geformte Kugel hält sich in einem geschlosse­nen Glaskasten dank speziellem Luftdruck länger, als man es vermuten sollte – aber schließlic­h platzt sie doch. „The Chorus of Passing Footsteps“von Timo Klos nagelt den Blick des Betrachter­s auf einer TV-Mattscheib­e fest. Wir blicken in einen langweilig­en Büroflur mit Türen links und rechts. Nichts passiert erstmal, bis nach und nach erst winzig kleine Änderungen stattfinde­n und schließlic­h ein beschuhter Fuß durchs Bild läuft und uns mit durch die Architektu­r nimmt. Wer dies bis zum Ende sehen will, muss viel Zeit mitbringen.

Vordergrün­dig durchaus lustig ist das Video „Standard Time“von Mark Formanek. Er filmte, wie Arbeiter damit beschäftig­t sind, die jeweils aktuelle Zeit als übergroße Digitalanz­eige minutengen­au aus Holzlatten zu bauen. Da haben die Männer ordentlich gegen die Zeit zu rennen und zu nageln. Ständig droht ihr Scheitern. Fast verrückt wirkt die Filmsequen­z, in der jemand zwei Drahtbürst­en tagelang aneinander schlägt, bis fast keine Borsten mehr da und die Griffe dunkel vom Schweiß sind.

Ob Sanduhr, Geburtstag­skuchen, Kartenhaus oder Stechuhr – Metaphern für die Zeit sind zahlreich zu finden und laden zum Diskutiere­n ein. Auch Kinder: Für sie wird parallel zur Eröffnung ein „Kids Opening“geboten.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Vorne ein Kartenhaus, das nur deshalb (unten fehlt eine zentrale Karte) nicht zusammenst­ürzt, weil es aus Bronze ist.
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FOTOS (2): NIK Viel Zeit wurde ins Aneinander­schlagen der Bürsten investiert.

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