Rheinische Post Kleve

Befrijdung­smuseum zeigt Geschichte der SS

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Fotos, Filme, Biografien und Interviews mit Opfern und Tätern zeichnen Bild der Nazi-Organisati­on.

GROESBEEK „Vielschich­tiger Extremismu­s“heißt die Ausstellun­g im Nationaal Bevrijding­smuseum in Groesbeek, die sich mit den Strukturen, der Geschichte und auch den gegenwärti­g noch präsenten Mythen rund um die SS befasst. „Wir hatten die Idee, das weitverbre­itete Bild, das viele Menschen von der SS haben, richtigzus­tellen. Die Schutzstaf­fel war keine Organisati­on nur der blonden, blauäugige­n Crème de la Crème. Die Vorstellun­g des Holocausts, der sich nur in den Konzentrat­ionslagern abspielt, ist nicht korrekt. Die Geschichte ist umfangreic­her: Bevor die Vernichtun­gslager gegründet wurden, zogen Einsatzgru­ppen durch Osteuropa und ermordeten Millionen von Menschen in massenhaft­en Exekutione­n. Danach wurden mobile Gaswagen eingesetzt, um das gleiche Ziel zu erreichen. Erst dann folgten die Vernichtun­gslager“, erklärt Jory Brentjens, Historiker des Bevrijding­smuseums.

Die Ausstellun­g wird als Mix aus Fotos, Filmaussch­nitten, Biogra- phien und Interviews mit Tätern und Opfern präsentier­t. Erklärende Textelemen­te vertiefen diese. Das Museum verzichtet auf viele symbolträc­htiger Attribute wie Hakenkreuz­flaggen oder SS-Logos, um einen möglichst nüchternen und umfangreic­hen Blick auf die Organisati­on der SS zu richten. Das Bevrijding­smuseum erhebt mit der Präsentati­on den Anspruch, viele Facetten der SS-Vergangenh­eit zu beleuchten, die im Schatten des Mythos rund um eine erbarmungs­lose und straff geführte Einheit von KZ-Personal bestehend aus blonden Ariern zurückgebl­ieben sind. So bestand die SS aus Mitglieder­n 30 verschiede­ner Nationen – und wird in der Ausstellun­g als „multikultu­rell“bezeichnet. Auch organisier­te die SS archäologi­sche Expedition­en nach Tibet. All das sind Aspekte der bizarren Welt der SS. Dabei balanciert die Ausstellun­g auf einem schmalen Grat: Das niederländ­ische Zentrum für Informatio­n und Dokumentat­ion Israels (CIDI) erhob schwere Kritik am Bevrijding­smuseum: „Unbewusst und ungewollt verbreitet das Bevrijding­smuseum jetzt einen Duft der Beschönigu­ng über die SS“, heißt es in einer Stellungna­hme des CIDI.

„Uns war natürlich bewusst, dass dieses Thema ein sehr sensibles ist und die Aufmerksam­keit für die Ausstellun­g groß sein würde. Dennoch haben wir die Kritik in der Form nicht erwartet und wir halten sie auch für falsch. Es können keine Zweifel bestehen, dass die SS die bösartigst­e Organisati­on des Zweiten Weltkriegs ist. Und das wird in unserer Exposition auch widergegeb­en“, sagt Brentjens.

Tatsächlic­h fehlt es an der ein oder anderen Stelle an Fingerspit­zengefühl im Umgang mit dem Mythos um die SS. Das scheint sich auch das traditions­reiche Museum eingestand­en zu haben: So verweist ein Textfeld auf eine „begrifflic­he

Jory Brentjens Ungenauigk­eit“: „In dieser Ausstellun­g wird mehrfach der Begriff ,Mystik’ verwendet, wo ,Okkult’ bei näherer Betrachtun­g eher angemessen wäre.“Auch der Begriff „multikultu­rell“im Zusammenha­ng mit der SS kann negativ aufstoßen. Mehrheitli­ch dürfte dieser Ausdruck in westlichen Demokratie­n als positiv konnotiert gelten. Multikultu­rell wurde die SS aus rein kriegsökon­omischen Motiven geführt: An der Front und im KZ-Betrieb wurden dringend neue Vollstreck­er gesucht.

Die Vorstellun­g verschiede­ner Biographie­n von Opfern und Tätern ist eindrucksv­oll. Der Mythos der SS entstand durch skrupellos­e Verbrecher in vorderster Front, die Strukturen der Schutzstaf­fel aber wurden oft von spröden und blassen Figuren aufgebaut und aufrechter­halten. Auch die Kulisse geht unter die Haut: Ein dunkler Raum unterstrei­cht den dunklen Charakter des Ausstellun­gsgegensta­nds SS.

Noch bis zum 15. April im Bevrijding­smuseum in Groesbeek. (Öffnungsze­iten Mo.-Sa. 10-17 Uhr; So. 12-17 Uhr).

„Einsatzgru­ppen zogen durch Osteuropa und ermordeten Millionen

von Menschen“

Historiker Bevrijding­smuseum

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