Rheinische Post Kleve

INTERVIEW JOHANNES OERDING Die „Grundausbi­ldung“auf dem Dorf

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Der Sänger („Hundert Leben“) spricht darüber, welche Grundwerte und Kompetenze­n beim Aufwachsen auf dem flachen Land vermittelt wurden.

GOCH Der in Kapellen aufgewachs­ene Pop-Star Johannes Oerding hat mit seiner Single „Hundert Leben“sozusagen den Soundtrack zur RPHeimatse­rie geschriebe­n. Wie oft im Jahr und zu welchen Gelegenhei­ten zieht es Dich nach Kapellen und Umgebung? sind alle da, denn meine Eltern, Geschwiste­r und die vielen Neffen und Nichten arbeiten und leben alle am Niederrhei­n. So schafft man es immer sehr gut, sich mit allen auszutausc­hen und auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Für meinen damaligen Freundeskr­eis gilt das nicht unbedingt. Viele sind in die Großstädte Deutschlan­ds gezogen oder auch ins Ausland. Da muss man sich schon ein bisschen mehr Mühe geben, sich nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Dann kommt doch schonmal die digitale Welt mit all ihren kommunikat­iven Vorzügen ins Spiel. Ich freu’ mich aber jedes Mal, wenn mich dann alte Freunde, Klassenkam­eraden und Mitmusiker auf den Konzerten besuchen. Was hat Dich zu „Hundert Leben“inspiriert? OERDING Es ist einfach MEINE Geschichte. Es war gar nicht so schwer, diese Bilder und Erinnerung­en in Worte zu fassen, denn sie sind eins zu eins das, was ich erlebt habe, und das ist für einen Songschrei­ber immer das Beste. Da geht es dann am Ende nur darum, die Geschichte in Reimform zu bringen und mit dem hoffentlic­h passenden Sound zu versehen. So einfach ist es nicht immer. Umso schöner, wenn man merkt, dass es doch nicht nur MEINE Geschichte ist, sondern auch die vieler anderer Menschen. Wie überrascht bist Du davon, dass der Song, zumindest im WDR-Radio, rauf und runter gespielt wird? OERDING Ich glaube, man ist immer überrascht, wenn ein Song im Radio gespielt wird, denn es gibt kein Re- zept, wie ein Song sein muss, dass er stattfinde­t. Ich hab schon oft bei anderen Songs gedacht: Mann, das müssen die doch jetzt mal spielen. Mittlerwei­le habe ich mich damit abgefunden, dass ganz viel Glück, Zufall und der richtige Zeitpunkt dazu gehört. Mal gewinnt man, mal nicht! So war die Musikbranc­he schon immer – ein bisschen wie Lotto spielen. Aber das Beste ist, dass jetzt auch meine Eltern in der Küche meine Musik im Radio hören können. Wie sehr hilft die Erdung und Heimatverb­undenheit dabei, in der Fremde nicht abzuheben, bzw. nicht zu scheitern? OERDING Ich glaube, dass die „Grundausbi­ldung“auf dem Dorf für jeden Lebensweg sinnvoll ist. Gerade im Bezug auf soziale Kompetenze­n wie Teamarbeit, Loyalität, Hilfsberei­tschaft und ähnliche Grundwerte. Zumindest hat mir das gut getan. Ich weiß, dass, egal was passiert, am Niederrhei­n Menschen und Familienmi­tglieder sind, die mich nicht nur in den erfolgreic­hen Jahren unterstütz­en, sondern auch, wenn es mal wieder bergab geht. Ich will es nicht beschreien, aber diese Höhen und Tiefen passieren in jedem Künstlerle­ben, und ich weiß, dass ich dann ein Sicherheit­snetz habe.

DIE FRAGEN STELLTE MICHAEL KLATT.

 ?? FOTO: MARCEL SCHAAR ?? Johannes Oerding startete im Herbst in den deutschen Charts mit dem Album „Kreise“direkt auf Platz zwei. In der Single „Hundert Leben“erinnert er an seine Jugend in Kapellen.
FOTO: MARCEL SCHAAR Johannes Oerding startete im Herbst in den deutschen Charts mit dem Album „Kreise“direkt auf Platz zwei. In der Single „Hundert Leben“erinnert er an seine Jugend in Kapellen.

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