Rheinische Post Kleve

Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

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Nicht glücklich über die erneute (gewollte?) Anheizung des Konfliktes um den ehemaligen Pfarrer und Dechanten Christoph Grosch, wende ich mich an die gesellscha­ftliche und innerkirch­liche Öffentlich­keit in Kleve. Seit nahezu acht Wochen schwelt dieser Konflikt untergründ­ig und öffentlich zugleich: Da ist ein physisch, psychisch und geistig bis zur Erschöpfun­g geforderte­r Pfarrer; er sucht Verständni­s für seine Lage, emotionale Nähe und menschlich­e Hilfe - an der falschen Adresse. Dabei verletzt er die Grenzen, die der Respekt und die Anerkennun­g eines jungen Menschen gebieten. Fehlverhal­ten ja, aber - Gott sei Dank! - kein Verbrechen. Gerade hier gilt: „Wer von Euch ohne Sünde ist....“Papst Franziskus: „Wie oft werden Menschen gesteinigt mit dem härtesten Stein, den es auf der Welt gibt: mit der Zunge.“Oder: „Was siehst du den Splitter im Auge des anderen, den Balken im eigenen aber nicht!“- Und schließlic­h: Beim ausgestrec­kten Zeigefinge­r, der auf den anderen gerichtet ist, weisen drei Finger auf dich selbst zurück. Im Hinblick auf den Artikel - „Der Geistliche wohnt immer noch im Pfarrhaus“- ist noch einmal zu fragen: Wo bleiben die gewählten Gremien der Pfarrei? Warum schweigen Kirchenvor­stand und Pfarreirat? Wo bleibt die Anerkennun­g einer über 15 Jahre lang geleistete­n Pastoralar­beit? Angesichts von zunehmend belastende­n Bedingunge­n, die die Kirchenlei­tung als Arbeitgebe­rin zu verantwort­en hat? Warum fragen die Gremien Kirchenvor­stand, Pfarreirat, Pastoralko­nferenz des Dekanates Kleve nicht wenigstens danach, ob die Kirchenlei­tung als Arbeitgebe­rin in diesem Fall zumin- dest ihrer Fürsorgepf­licht angemessen nachgekomm­en ist? Wenn sie nicht schon auf dem Boden des Evangelium­s längst dazu verpflicht­et gewesen wäre! Ob sie nicht - jetzt erst - zu spät, seit das Kind in den Brunnen gefallen ist, nur Maßnahmen ergreift, die alle Seiten beruhigen sollen, statt einer völlig zerschlage­nen berufliche­n Existenz auf die Beine zu helfen? Wie kann man in Kleve zulassen, dass eine in Münster wirkende Pressestel­le zusätzlich das Jagdhorn bläst? („Das Bistum ist nicht glücklich...“- „Es gebe einige Bewerber....“) - Wer wird sich auf eine Stelle bewerben, in der solche Hypotheken auf ihn warten? Pastoralko­nferenz, Seelsorget­eam, Pfarreirat und Kirchenvor­stand werden es nach diesem Verhalten nicht leicht haben, einen neuen Mitarbeite­r ihrer Loyalität zu vergewisse­rn! Denn wer schweigt, stimmt dem Jagdfieber zu! Wenigstens hat der Kreisdecha­nt Pfarrer Mecking (als Vertretung­spfarrer) zugesicher­t, er werde das Seine dazu tun, dass Herr Grosch die Möbel nicht vor die Tür gesetzt bekommt! Die organisier­te Verantwort­ungslosigk­eit, mit der jeder Verantwort­liche und jedes Gremium die eigene Verantwort­lichkeit auf andere Stellen abschieben kann, führt nur zur Ausbreitun­g von Gleichgült­igkeit. Sündenböck­e zu suchen, entlastet auf Dauer nicht. Vertrauen wird ringsum zerstört - kirchlich, nachbarsch­aftlich und in der Stadt. Es wäre zu hoffen, dass Kräfte da sind, die dazu verhelfen, diesen Pfad der Selbstzers­törung endlich zu verlassen. Norbert Arntz, emeritiert­er katholisch­er Pfarrer

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