Rheinische Post Kleve

INTERVIEW ANDREAS SCHEUER (CSU) „Blaue Plakette wäre Einstiegsd­roge“

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Der Bundesverk­ehrsminist­er warnt vor der Einführung einer Plakette für Autos, die aus seiner Sicht zu generellen Fahrverbot­en führen würde. Scheuer hat den Ehrgeiz, die Zahl der Verkehrsto­ten drastisch zu senken.

BERLIN Zum Verkehrsmi­nisterium im Berliner Regierungs­viertel fahren wir von der Redaktion mit dem Fahrrad – vorbildlic­h emissionsf­rei. Der Minister hat uns ankommen sehen. Vor dem Interview weist uns Andreas Scheuer darauf hin, dass wir Helme tragen sollten. Schließlic­h hat er sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrsto­ten auf null zu reduzieren. Herr Scheuer, was beinhaltet die Null-Verkehrsto­te-Strategie? SCHEUER Jeder Tote im Verkehr ist einer zu viel. Die Bundesregi­erung verfolgt eine Null-Verkehrsto­teStrategi­e, durch die wir Jahr für Jahr die Zahl der Todesopfer im Straßenver­kehr senken wollen. Wir haben in den vergangene­n Jahren bereits sehr viel erreicht. Die aktuellen Zahlen zeigen: Im Jahr 2017 starben in Deutschlan­d 3177 Menschen bei Unfällen im Straßenver­kehr. Das waren 29 Getötete oder 0,9 Prozent weniger als im Jahr 2016. Damit erreichte die Zahl der Verkehrsto­ten den niedrigste­n Stand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren. Der Rückgang liegt auch daran, dass mittlerwei­le immer mehr Fahrradfah­rer einen Helm tragen. Wollen Sie eine Helmpflich­t für Fahrradfah­rer einführen? SCHEUER Nein. Das halte ich nicht für notwendig. Da setze ich auf Anreize und Kampagnen. Bei ElektroFah­rrädern, die sehr hohe Geschwindi­gkeiten erreichen, halte ich Helme allerdings für geboten. Wie wollen Sie dann Fahrradfah­rer in den großen Städten schützen? SCHEUER Ich werde in meinem Ministeriu­m eine eigene Stabsstell­e Radverkehr einrichten, die sich im Schwerpunk­t mit der Sicherheit für Fahrradfah­rer befassen wird. Insbesonde­re im städtische­n Verkehr gibt es für Fahrradfah­rer gefährlich­e Situatione­n. Das Miteinande­r von Autos, Bussen und Fahrrädern funktionie­rt oft nicht gut. Für das Gelingen eines rücksichts­vollen Miteinande­rs muss jeder Verkehrste­ilnehmer seinen ganz persönlich­en Beitrag leisten – die Fahrer von Autos, Bussen und Lkw genauso wie Radfahrer und Fußgänger. Die moderne Technik im Straßenver­kehr setzt sich bei den Fahrzeugen immer mehr durch. Damit wollen wir unserem Ziel null Verkehrsto­te näher kommen. Muss es ein Start- und Landeverbo­t für Fluglinien geben, wenn sie israelisch­e Gäste nicht transporti­eren, wie im Fall Kuwait Airways geschehen? SCHEUER Eine Transportv­erweigerun­g wegen Nationalit­ät oder Religionsz­ugehörigke­it können wir nicht akzeptiere­n. Eine solche Diskrimini­erung widerspric­ht unserem Grundgeset­z. Zu dem Thema führe ich sehr offen und sehr klar Gespräche. Mit dem Stand der Gespräche bin ich noch nicht zufrieden. Sollte es keine klare Zusage in diesem Fall der kuwaitisch­en Fluglinie geben, wird es Konsequenz­en geben. Warum ist es für Sie keine Option mehr, die Straßenver­kehrsordnu­ng so zu ändern, dass Kommunen auf einzelnen Straßen Fahrverbot­e gegen Dieselauto­s verhängen können? SCHEUER Meine klare Botschaft ist: keine Panik, keine Fahrverbot­e, sondern konkrete Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät über deutschen Straßen. Wir wollen saubere Luft, aber auch gute Mobilität auf deutschen Straßen. Fakt ist, dass wir in den letzten Jahren den Schadstoff­ausstoß im Verkehr schon um bis zu 70 Prozent gesenkt haben. Aber die EU hat ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren wegen der jahrelange­n gesundheit­sgefährden­den Überschrei­tung der Schadstoff-Grenzwerte gegen Deutschlan­d eingeleite­t. Fürchten Sie Strafzahlu­ngen aus Brüssel? SCHEUER Nein. Es waren mal rund 70 Städte, die die EU-Grenzwerte überschrit­ten haben. Wir haben Zeit bis Ende 2019, bis wir die Grenzwerte erfüllen müssen. Bei der großen Mehrheit der Städte werden wir das bis Ende 2019 schaffen. Da wird eine Gruppe von Städten übrig bleiben, derer wir uns speziell annehmen werden. Warum sind Sie gegen die blaue Plakette für Dieselfahr­zeuge in Innenstadt­bezirken? SCHEUER Die blaue Plakette wäre die Einstiegsd­roge in generelle Fahrverbot­e. Allein eine Plakette auf der Windschutz­scheibe reicht nicht, um die Grenzwerte in den Städten einzuhalte­n. Da ist kein Anreizsyst­em dahinter. Wieso? Durch die Plakette hätten die Bürger einen weiteren Anreiz, sich ein sauberes Auto anzuschaff­en. SCHEUER Wissen Sie, was dann passiert? Dann kommt es dazu, dass eine Familie ihr Auto, das sie bisher in der Stadt gefahren hat, in einen Wagen für längere Strecken umwidmet. Für die Stadt schafft sie sich dann noch ein Zweitauto an. Damit hätten wir das Emissionsp­roblem doch nur von der Stadt aufs Land verschoben. Verbote waren noch nie eine Lösung. Mit mir als Verkehrsmi­nister wird es keine blaue Plakette geben. Die Pkw-Maut sollte schon 2016 eingeführt werden, bis heute gibt es sie immer noch nicht. Wann kommt sie? SCHEUER Wir sind mit Hochdruck dran. Es sind aber noch nicht alle organisato­rischen und technische­n Details geklärt. Ich mache keine Zeitvorgab­e. Aber die Pkw-Maut wird auf jeden Fall in dieser Wahlperiod­e eingeführt. Ich kenne kein Maut-System auf der Welt, das per Knopfdruck einfach so starten konnte. Da würde man es sich zu einfach machen. Da braucht es viel Vorbereitu­ng. Nach der langen politische­n Debatte um die Maut möchte ich ein System einführen, das dann auch gut funktionie­rt und auch die ausländisc­hen Durchfahre­r an der Finanzieru­ng unserer Infrastruk­tur beteiligt. Im Übrigen selbstvers­tändlich in den meisten anderen EU-Staaten. BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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