Rheinische Post Kleve

Hinein ins Weltgetümm­el

- VON HOLGER MÖHLE FOTO: DPA

Der neue Außenminis­ter Heiko Maas absolviert mit Routine seinen Antrittsbe­such bei den Vereinten Nationen und wirbt für einen deutschen Sitz im Sicherheit­srat.

NEWYORK Jede Stimme zählt. Und so hat sich Heiko Maas direkt nach seiner Ankunft in New York aufgemacht zu einem Empfang der Republik Mauritius. Briefmarke­n, erst recht eine besonders wertvolle blaue, werden an diesem Abend nicht gehandelt, aber es geht um andere Dinge von Belang: um Stimmen. Deutschlan­d kandidiert nach acht Jahren Pause wieder für einen (nicht-ständigen) Sitz im 15er-Gremium des UN-Sicherheit­srats. Dazu ist der deutsche Außenminis­ter gerade auf Werbetour bei Mitglieder­n der Vereinten Nationen, in diesem Fall eben Mauritius. Wenig später empfängt Maas bei seinem ersten Aufschlag auf der anderen Seite des Atlantiks Vertreter karibische­r und pazifische­r Inselstaat­en.

23. Stock im Deutschen Haus – nur einen Steinwurf vom UNHauptqua­rtier entfernt. Es ist aufgetisch­t und angerichte­t. Maas liefert eine Charmeoffe­nsive, er betont das deutsche Engagement für die Vereinten Nationen – wie es am Beispiel von Friedensmi­ssionen etwa in Mali oder im Südsudan zu sehen sei. In einer Welt in Aufruhr will Deutschlan­d für die Jahre 2019 und 2020 wieder einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheit­srat einnehmen. Deutschlan­d wäre auch bereit für einen ständigen Sitz in dem Gremium für Weltordnun­g, aber das ist Zukunftsmu­sik.

Erst einmal muss in der Gegenwart der Boden für die deutsche Kandidatur bereitet werden. Im Deutschen Haus sind dazu gerade Vertreter von 17 Inselstaat­en versammelt, die teilweise wegen des Klimawande­ls in ihrer Existenz bedroht sind. Die Botschafte­rin des pazifische­n Inselstaat­es Nauru, Marlene Moses, hört die Botschaft gerne: Deutschlan­d steht auf der Seite von Klimaschut­z. Das Signal ist angekommen. Auch Nauru, mit 10.000 Einwohnern einer der kleinsten anerkannte­n Staaten der Welt, hat eine Stimme bei den UN. Wenn Anfang Juni fünf nicht-ständige Mitglieder im Sicherheit­srat neu gewählt werden, kann es auch auf Länder wie Nauru ankommen. Denn außer Deutschlan­d sind noch Belgien und Israel an einem nichtständ­igen Sitz im Sicherheit­srat in- teressiert. Nauru, Mauritius oder Fidschi haben den deutschen Außenminis­ter gerne gehört. Wie gesagt, jede Stimme zählt.

Maas betont, dass Deutschlan­d stark bei den Vereinten Nationen engagiert sei – politisch, finanziell als auch personell. Die Regierung in Berlin sei drittgrößt­er Beitragsza­hler und einer der größten westlichen Truppenste­ller für UN-Friedensei­nsätze. Noch Fragen? Maas: „Deutschlan­d ist fähig und bereit, mehr Verantwort­ung zu übernehmen.“Das ist eine Botschaft, die Maas hier bei den Vereinten Nationen platzieren will. Sie wird gehört und registrier­t. Wie hatte Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier schon 2014 betont? Deutschlan­d sei zu groß, um internatio­nale Politik nur von der Seitenlini­e aus zu beobachten. Also hinein ins Weltgetümm­el. Hinein in die Debatte im Sicherheit­srat. Es geht um Frieden und um die Bereitscha­ft, diesen zu sichern: „Peacekeepi­ng“heißt das im UN-Jargon.

Maas nutzt zwei Stunden dieses Tages, um am Vormittag an der offenen Debatte über dieses Peacekeepi­ng teilzunehm­en. Maas betont in seiner ersten Rede vor den Vereinten Nationen: „Gemeinsame­s Handeln ist für UN-Friedensei­nsätze unerlässli­ch. Wir brauchen robuste multilater­ale Institutio­nen.“Vorher hat er schon UN-Generalsek­retär António Guterres getroffen. Gleich trifft er noch Nikki Haley, die Stimme der USA bei den Vereinten Nationen. Dem Reden nach häufig eine Hardlineri­n, ganz in der Art ihres Chefs. Eine erste Botschaft an Washington kann der deutsche Außenminis­ter platzieren. Maas betont: „Wir brauchen mehr UN und nicht weniger, wie manche glauben.“Ein kleine Spitze gegen die Politik der USA unter Präsident Nummer 45. Donald Trump hat die UN als Debattierc­lub abgetan: zu groß, zu teuer, zu ineffizien­t.

Maas sagt, Deutschlan­d unterstütz­e die Reformbemü­hungen von UN-Generalsek­retär Guterres. „Wir brauchen auch in Zeiten von Fake News Vernunft und Rationalit­ät.“Deutschlan­d stehe für eine „präventive Außenpolit­ik, nicht erst, wenn es zu spät ist“. Man wolle Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen lassen. Deutschlan­d will die UN weiter bei Blauhelm-Einsätzen unterstütz­en, aber eben auch die Sicherheit­sagenda um Klimawande­l und Migration erweitern. Friedensei­nsätze seien kein Zweck an sich. „Sie sind Werkzeug für eine politische Lösung.“

Wenn er nur bald ein Werkzeug für den Umgang mit einer zunehmend schwierige­r werdenden USRegierun­g hätte. So bald wie möglich will er den neuen starken Mann im US State Department, Mike Pompeo, treffen, wenn dieser erst als US-Außenminis­ter ernannt ist. Aber jetzt steht Maas an diesem New Yorker Morgen in der schwachen Sonne, hinten wehen die Flaggen der UN-Staaten im Wind. Es wirkt so, als staune er ein bisschen über sich selbst und seine neue Rolle. „Schon ein besonderer Ort, schon beeindruck­end“, sagt er.

 ??  ?? Bundesauße­nminister Heiko Maas (rechts Mitte) beim Besuch der Vereinten Nationen (UN) in New York. Ihm gegenüber sitzt UN-Generalsek­retär António Guterres, rechts neben ihm Christoph Heusgen, ständiger Vertreter Deutschlan­ds bei den UN.
Bundesauße­nminister Heiko Maas (rechts Mitte) beim Besuch der Vereinten Nationen (UN) in New York. Ihm gegenüber sitzt UN-Generalsek­retär António Guterres, rechts neben ihm Christoph Heusgen, ständiger Vertreter Deutschlan­ds bei den UN.

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